Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Klabautermann

Der Klabautermann

Titel: Der Klabautermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
und der Hoteldirektor gemeinsam«, sagte er sarkastisch, »das ist ungewöhnlich. Was ist denn los, meine Herren? Meuterei an Bord? Um es Ihnen gleich zu sagen: So wie bei der ›Bounty‹ läuft's bei mir nicht.«
    Aber die Fröhlichkeit sprang nicht auf die Herren über. Sie blieben ernst. Hellersen spürte deutlich, daß ein gewichtiges Problem auf ihn zukam.
    »Sinken wir etwa?« fragte er, noch immer friedlich gestimmt. »Ich merkte noch keine Schräglage.«
    Jens Hartmann, der Leitende Erste Offizier und damit Stellvertreter des Kapitäns, klemmte seine weiße Offiziersmütze unter die linke Achsel. »Wir halten es für unsere Pflicht, Herr Kapitän, Sie auf einige Merkwürdigkeiten an Bord hinzuweisen.«
    »Davon gibt's eine Masse, Hartmann. Los, reden Sie nicht so geschwollen daher. Was ist los?«
    Hoteldirektor Losse räusperte sich; es fiel ihm sichtlich schwer, seinen Bericht zu beginnen. Er begann ihn vorsichtig, so von hinten herum.
    »Von den Passagieren, vom Magazin und von der Bäckerei liegen Beschwerden vor …«
    Hellersen sah seinen Oberzahlmeister verwundert an. »Das zu regeln, dürfte Ihnen doch nicht schwerfallen, Losse. Von sechshundert Passagieren beschweren sich immer zwanzig, das kennen wir doch. Und Magazin und Bäckerei … das ist doch Ihr Revier!«
    »Es ist aber vielleicht doch Kapitänssache, Herr Kapitän«, kam Hartmann dem sichtlich verwirrt wirkenden Oberzahlmeister zu Hilfe.
    »O Himmel, das klingt ja geheimnisvoll!« Hellersen nahm die Zigarre aus dem Aschenbecher, machte einen langen Zug, blies den Rauch gegen die Decke und wartete ab. Daß sein Leitender Erster sich an ihn wandte mit einem nicht nautischen Problem, war völlig neu. An Bord mußte etwas Gravierendes geschehen sein, von dem er noch keine Ahnung hatte.
    »Geheimnisvoll, so kann man's nennen, Herr Kapitän.« Herbert Losse fühlte sich wirklich nicht wohl in seiner Haut. Er räusperte sich mehrmals, ehe er mit seiner Aufzählung begann. »Einer Passagierin verschwindet auf dem Promenadendeck der Schal und ist dann an einen Davit geknotet. Einer anderen Passagierin wird zweimal der Liegestuhl weggenommen und findet sich zusammengeklappt in einer Ecke an Deck wieder. Einem Passagier wird zweimal das Bierglas ausgetrunken – ausgerechnet Herrn Hallinsky …«
    »Auch das noch!« fiel Hellersen ein.
    »… im Magazin verschwindet ein ganzer Kranz Bananen, und in der Bäckerei werden sechs Obsttörtchen gestohlen.«
    »Das ist doch nicht normal, Herr Kapitän!« sagte Hartmann laut. »So eine Häufung von Merkwürdigkeiten.«
    Losse atmete tief durch. »Innerhalb von zwei Tagen, nach dem Ablegen von Bali.«
    Einen Augenblick lang war es ganz still im Zimmer. Kapitän Hellersen legte seine Zigarre wieder zurück in den Aschenbecher, sah seinen Ersten und den Oberzahlmeister betroffen an und wischte sich dann mit der Hand über das Gesicht. Bloß das nicht, was ich jetzt ahne. Bloß das nicht!
    »Bananen verschwinden, Obsttörtchen sind weg, Bier wird heimlich ausgetrunken, ein Schal wird gestohlen … Hartmann, was halten Sie davon? Woran denken Sie jetzt … genau wie ich?«
    »Wir haben einen ›Blinden‹ an Bord.«
    »Genau das denke ich! Ein heimlicher Passagier, der nicht gezahlt hat und sich irgendwo an Bord versteckt!« Hellersen begann im Zimmer hin und her zu gehen. Das war ein schlechtes Zeichen; wer Hellersen kannte, und sowohl Hartmann wie Losse kannten ihn seit Jahren, bereitete sich auf einen Ausbruch vor. Und er kam. Ruckartig blieb Hellersen vor den beiden stehen, und seine Stimme hatte plötzlich den Befehlston. »Eine schöne Schweinerei, meine Herren! Der Kerl hat Hunger und Durst und machte sich zum Selbstversorger. Zuerst also das Wichtigste: Es darf bei den Passagieren nichts bekannt werden. Keinen Ton! Die gesamte Mannschaft wird aufgefordert, so diskret wie möglich die Augen offen zu halten, vor allem im Mannschaftsbereich und in den Ladebunkern. Alle, die mit Verpflegung zu tun haben, müssen besonders wachsam sein. Die dienstfreien Mannschaften nehmen sofort die Suche auf – aber unauffällig, meine Herren! Wenn ein ›Blinder‹ an Bord ist, den hungern wir aus. Den treibt uns sein knurrender Magen in die Arme. Oder der Durst. Hungern kann man bis Singapur zur Not, aber trinken muß er! Mehr können wir im Augenblick nicht tun. Das Wichtigste: Schweigen und Augen offen halten. Haben Sie noch andere Vorschläge, meine Herren?«
    »Nein, Herr Kapitän.« Losse schluckte aufgeregt. »Wie ist

Weitere Kostenlose Bücher