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Der Klabautermann

Der Klabautermann

Titel: Der Klabautermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sichtlich pikiert, daß Hoteldirektor Losse – wenn auch ganz diskret – an seine ärztliche Schweigepflicht appellierte.
    »Das ist doch selbstverständlich«, sagte er, »das bedarf doch gar keiner Frage. Sie haben also einen deutlichen Gebißabdruck auf einem Papierbogen, und dieser Biß soll von dem Klabautermann stammen …«
    »Von einem unbekannten Täter, Herr Doktor, der wahrscheinlich diese ganze Unruhe ins Schiff trägt. Klabautermann, das war doch nur ein Witz von Beatrice. Kobolde haben kein Gebiß.«
    »Und womit essen sie?«
    Losse vermied darauf eine Antwort. Ihm war nicht ganz klar, ob Dr. Schwengler mit ernster Miene einen Witz losgelassen hatte oder es wirklich wörtlich meinte. Bei Medizinerhumor muß man vorsichtig sein, da ist Zynismus oft die Basis aller Dinge.
    »Wo ist das Corpus delicti?« fragte Dr. Schwengler.
    »Beim Kapitän.«
    »Und wo ist der Kapitän?«
    »In seiner Wohnung.«
    »Dann würde ich vorschlagen, dorthin zu gehen, damit ich noch rechtzeitig zum Essen komme.« Er zog seinen dunkelblauen Rock an, kontrollierte im Spiegel den Sitz seines diskret gestreiften Schlipses und blickte auf die Uhr. Noch eine halbe Stunde. Selma, seine Frau, hockte beim Friseur. Das gehörte alle zwei Tage zum Tagesablauf: Kurz waschen mit einer Speziallösung zur Ernährung des Haares, dann Fönen, eventuell nachschneiden. Kam Selma Schwengler dann zurück, geschah immer das gleiche: Sie ärgerte sich, weil ihr Mann Hans-Jakob nicht einmal sagte: »Dein Haar ist heute aber schön.« Dr. Schwengler nahm es überhaupt nicht wahr. Darauf angesprochen, hatte er nur geknurrt: »Ich bin Zahnarzt, aber kein Haarstylist.«
    Wenn man 44 Jahre miteinander verheiratet ist, muß man solche Antworten hinnehmen.
    Kapitän Hellersen kam Dr. Schwengler sichtlich erwartungsvoll an der Tür seiner Wohnung entgegen. Das Fotolabor hatte gerade die Vergrößerungen gebracht; hervorragende Aufnahmen, auf denen man deutlich die Zahnabdrücke sah. Der Bordfotograf hatte das Papier etwas eingesprüht und gefärbt und damit den Biß plastisch werden lassen. Hellersen hatte ihn gelobt, und der junge Mann war stolz abgezogen.
    »Ich freue mich, daß Sie uns helfen wollen«, begrüßte Hellersen Dr. Schwengler. »Herr Losse wird Ihnen schon erzählt haben, welches Problem wir haben.«
    »Ich weiß nur, daß jemand das Manuskript von Herrn Hallau mit den Zähnen zerrissen hat.«
    »Das ist doch völlig ungewöhnlich, nicht wahr?«
    »Finden Sie?« Dr. Schwengler hob die Schultern, als wolle er sagen, da bin ich anderer Ansicht. »Wenn ich Choleriker wäre, würde ich auch ab und zu vorher das auffressen, was dieser Hallau uns da Abend für Abend vorsetzt. Hier ist irgendeinem Menschen einfach der Kragen geplatzt.«
    »Zerreißen, gut, das könnte man hinnehmen. Aber mit den Zähnen …« Hellersen schüttelte den Kopf. »Das muß doch ein Irrer sein.«
    »Nicht unbedingt. Ein Ausbruch von Unwillen kann viele Gesichter haben. Der eine geht nur weg, der andere beißt um sich. Eine reine Temperamentssache.«
    Hellersen warf Losse einen Blick zu, aus dem deutlicher Zweifel an der Kompetenz von Dr. Schwengler sprach, sagte jedoch nichts. Er ging zu seinem Schreibtisch, holte das Blatt 3 des Hallau-Manuskripts und die Vergrößerungen und legte sie vor Dr. Schwengler auf den Couchtisch.
    »Jetzt bin ich aber gespannt.«
    Dr. Schwengler hob das Blatt Papier in die Luft, gegen das Licht, und starrte eine Weile schweigend auf den Abdruck. Dann griff er nach den Vergrößerungen, betrachtete sie nur kurz und nickte.
    »Oje …«, sagte er nur. Hellersen wischte sich über das Gesicht.
    »Das hört sich nicht gut an.«
    »Wieso?«
    »Ihr Kollege, der Schiffsarzt, sagte nach dem Betrachten: Aha! Damit kapitulierte er und machte den Vorschlag, einen Zahnarzt hinzuzuziehen.«
    »Ein kluger Rat.«
    »Und nun sagt der Zahnarzt auch ›oje‹.«
    »Was soll ich auch anderes dazu sagen? Ohne große Messungen und Vergleiche: Der Mann bedarf dringend einer Behandlung. Das ist ja ein jammervolles Gebiß.« Dr. Schwengler hielt die Fotovergrößerung hoch und fuhr mit dem Zeigefinger erklärend über das Bild. »Sehen Sie sich das an. Die Zähne im Unterkiefer … völlig unregelmäßig und zum Teil schief sitzend. Die Zähne im Oberkiefer sind ein Jammer: Verschiedene Längen, ein paar sind anormal breit … Du lieber Himmel, den Mann möchte ich sehen. Wenn er kein fleischiges Gesicht hat, das alles kaschiert, muß er deformiert aussehen.« Dr.

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