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Der Klabautermann

Der Klabautermann

Titel: Der Klabautermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schwengler warf die Vergrößerung auf den Tisch zurück. »Diesen Patienten zu behandeln, muß für einen Zahnarzt eine Herausforderung sein! – Haben Sie einen gesichtsdeformierten Passagier an Bord, Herr Kapitän?«
    Hellersen sah seinen Oberzahlmeister an. »Losse, haben wir einen?«
    »Ja …«, antwortete Losse zögernd.
    »Ja?« Das war fast wie ein Aufschrei. »Losse, und das sagen Sie erst jetzt?«
    »Bisher war von einer Deformation noch nicht die Rede, Herr Kapitän.«
    »Wer dieses Gebiß sieht, muß auf den Gedanken kommen!« Hellersen fiel nicht auf, daß auch er selbst vorher keineswegs auf diesen Gedanken gekommen war. »Wer ist es?«
    »Der Herr ist über alle Zweifel erhaben, Herr Kapitän.«
    »Wer?«
    »Herr Generaldirektor Konsul Hardwig Fehrenwaldt …«
    »Titel und gesellschaftliche Stellung spielen bei Verrückten keine Rolle!« unterbrach Dr. Schwengler den Hoteldirektor.
    »Herr Konsul Fehrenwaldt hat vom Krieg her eine Gesichtsverletzung.« Losse war sichtbar beleidigt. »Er hat mir das mal geschildert. Vierunddreißig Operationen waren notwendig, bis sein Gesicht wiederhergestellt war. Man sieht zwar noch ein wenig von der Verwundung, aber das überdeckt er mit einer großen Brille. Außerdem ist Herr Konsul Fehrenwaldt ein alter Repeater; er ist schon oft mit uns gefahren.«
    »Das will gar nichts heißen.« Dr. Schwengler winkte ab. »Gesichtsverletzt, nehme an, Granatsplitter quer durch. Davon habe ich im Lazarett von Minsk eine Menge gehabt. Jeden Tag wurden neue Verwundete eingeliefert. Als Kieferchirurg bekam ich sie in meine Abteilung. Bedauernswerte Männer. Hatten jahrelange Transplantationen vor sich, immer stückweise. Jedes Gesicht mußte neu aufgebaut werden. Das waren für meine Begriffe die schlimmsten Verwundungen. Ein Bein ab, damit kann man leben. Auch mit nur einem Arm. Und Verletzungen am Körper hinterlassen Narben, die von der Kleidung verdeckt werden. Aber ein zerstörtes Gesicht … das ist schrecklich! Da braucht man vor allem seelische Stärke. Nur –« und hier machte Dr. Schwengler eine längere Pause, die Hellersen und Losse ausnutzten, sich eine Zigarette anzuzünden. »Denken wir einmal ganz brutal: Herr Fehrenwaldt leidet plötzlich unter auftretenden Spätschäden. Das ist nicht absurd, das gibt es. Durch irgendwelche Anstöße, sei es Alkohol oder psychischer Streß, koppelt sich in seinem Gehirn etwas aus. Vielleicht hatte er auch noch eine leichte Hirnverletzung, das wissen wir ja nicht. Und in diesem Stadium der Persönlichkeitsspaltung begeht man Dinge, von denen man hinterher nichts mehr weiß. Absolut nichts. Ich könnte Ihnen da einige Beispiele aus meiner Praxis nennen. Da ziehe ich einem Patienten den Fünf oben links total vereitert, und wie der draußen ist, müssen wir den Mann mit vier Leuten festhalten und festbinden, so wild fängt er an zu toben. Später stellt sich heraus, daß er im Krieg verschüttet war und einen Balken des Unterstandes auf den Kopf bekommen hatte. Das Zahnziehen hatte bei ihm Panik und Todesangst erzeugt.« Dr. Schwengler nickte mehrmals. »So etwas kann vorkommen, meine Herren. Der Mensch ist das komplizierteste Geschöpf der Schöpfung.«
    »Und Sie meinen …« Hellersen zog nervös an seiner Zigarette. »Konsul Fehrenwaldt könnte …«
    »Unmöglich ist nichts, Herr Kapitän.«
    »Das wäre ja furchtbar!«
    »Ich halte es für ausgeschlossen!« Losse schüttelte entschieden den Kopf. »Das ist in meinen Augen eine abwegige Theorie.«
    »Ich drückte nur ein paar Gedanken aus!« sagte Dr. Schwengler, wieder pikiert. »Endgültiges kann ich nur sagen, wenn ich das Gebiß von Konsul Fehrenwaldt untersucht habe. Stimmt es mit den Abdrücken überein … meine Herren, es gibt in der Kriminalistik zwei Hauptzeugen: den Fingerabdruck und das Gebiß. Damit kann man jeden überführen.«
    Er erhob sich abrupt von der Couch. »Benötigen Sie sonst noch meinen Rat?«
    »Ja.« Hellersen zerdrückte seine Zigarette in dem gläsernen Aschenbecher. »Wie bringen Sie es fertig, daß Herr Fehrenwaldt Ihnen sein Gebiß zeigt?«
    »Ich glaube, das ist Ihre Aufgabe, Herr Kapitän. Sie sind auf dem Kriegspfad.«
    »Dann sind wir am Ende der Fahnenstange angekommen.« Hellersen gab Dr. Schwengler die Hand. »Ich danke Ihnen herzlich, Doktor.«
    »Ich würde Ihnen gern intensiver helfen, Herr Kapitän, wenn der ganze Komplex nicht so völlig verworren und sinnlos wäre. Angenommen, dieser Konsul Fehrenwaldt hat tatsächlich das

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