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Der Klabautermann

Der Klabautermann

Titel: Der Klabautermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bedeutet das eine echte Sensation für Stadt und Leute.
    Der Reiseprospekt der Reederei hatte deshalb auch versprochen: Unverfälschtes Landleben, Neuland der Touristik, Abenteuer (unter Aufsicht), Besuch unberührter Tempel und Naturschönheiten – etwas ganz Besonderes also. Wer an den Ausflügen teilnehmen wollte, dürfe keinen Luxus erwarten, keine klimatisierten Busse, keine gepflegten Straßen; es werde ein einfaches Landesessen geben, man werde Staub schlucken oder durchgerüttelt werden, dafür aber einmalige Motive vor die Kamera bekommen. Wer solche Strapazen scheue, solle bitte an Bord bleiben.
    Dieser Aufruf fiel auf fruchtbaren Boden: Über 400 Passagiere verließen das Schiff, um das große Abenteuer zu erleben. 400 Entdecker. 400 Vasco da Gamas.
    Nach sieben Stunden kamen sie mit den Bussen zurück, schwankten die Gangway hinauf und lechzten nach einem riesigen Glas Bier. Friedhelm von Sollner, der den Klabautermann am Signalmast hatte turnen sehen, faßte die Eindrücke der Expedition in einem Satz zusammen:
    »Anstrengend, sehenswert, knochenbrechend, nie wieder … Scheiße …!«
    Aber auch hier, bei diesem Ausflug ins bisher Unbekannte, zeigt sich wieder ein Wunder: Am zähesten, immer vorweg, nicht kleinzukriegen waren die Ältesten der Passagiere, unter ihnen drei Damen von 82 Jahren, pensionierte Lehrerinnen aus Bochum, und fast selbstverständlich Baronin Thekla von Sahlfelden.
    Eduard Hallinsky, der sich ihr angeschlossen hatte, war dagegen geschafft, träumte auf der Rückfahrt im Bus von einem Faß Dortmunder Bier und machte an Bord erst gar nicht den Umweg zur Kabine, sondern stürzte, so verschwitzt und staubbedeckt wie er war, an die Theke der Pool-Bar und rief mit aufgerauhter Stimme:
    »Einen Kübel Bier! Schnell! Ich fühle mich wie eine Backpflaume …«
    Hellersen hatte die Wache an der Gangway verstärkt. Unten an der Pier standen vier Matrosen und kontrollierten die Landausweise, oben am Eingang zum A-Deck musterte der Oberbootsmann jeden Ankommenden, assistiert von Victor und einem Obersteward-Stellvertreter. Beatrice, die den Ausflug mitgemacht hatte, kam als letzte an Bord. Das Durchschlüpfen eines Unbekannten war also unmöglich.
    »Alle da!« meldete der Oberbootsmann per Sprechfunk zur Brücke. Dort stand Kapitän Hellersen auf der Nock, um das Ablegen selbst zu übernehmen. »Kein unbekanntes Gesicht.«
    »Auf soviel Glück habe ich auch nicht gehofft«, rief Hartmann hinunter. »Das wäre ja der Gipfelpunkt der Frechheit. – Alles klar zum Einziehen …«
    Eine halbe Stunde später fuhren sie wieder durch die Selat-Sunda, die Meerenge zwischen Sumatra und Java, hinaus in die offene See. In den Kabinen wurde gebadet oder geduscht, rasiert und gefönt. Nach dem Essen an Land – sauer-süße Hühnchenteile mit Reis und ein den Europäern unbekanntes Gemüse – sehnte sich alles nach der Speisekarte mit ihren lukullischen Märchen.
    Rudi Faster, der Magazinverwalter, regte sich über nichts mehr auf. Er griff zum Telefon in seinem Glaskasten, rief die Brücke an und sagte zu dem Leitenden Ersten:
    »Nur damit ihr beruhigt seid: Mir fehlen seit einer halben Stunde drei Salatköpfe und ein Bund Möhren. Und Butter auch. Einen guten Abend allerseits.«
    »Aber das ist doch idiotisch!« rief Hartmann durchs Telefon.
    »Wieso? Der Kerl ist ein Feinschmecker und hat eine Stelle entdeckt, wo er kochen kann. Möhrchen, in Butter geschwenkt, dazu frischer Salat …«
    »Nimm uns bloß nicht auf den Arm, Rudi!«
    »Er macht uns zu Vollidioten! Aber ich rege mich nicht mehr auf. Mein Blutdruck ist mir wichtiger. Ich melde nur noch, alles Weitere ist Sache der Schiffsleitung.«
    So sah es auch Kapitän Hellersen. »Wir haben also kein Glück gehabt«, sagte er zu seinen auf der Brücke versammelten Offizieren. »Der ›Blinde‹ ist an Bord geblieben und hat sich mit Vitaminen versorgt. Mir ist nur rätselhaft, wie er seinen Durst löscht. Seit dem bißchen Bier, das er bei Herrn Hallinsky geklaut hat, sind noch keine weiteren Anzeigen gekommen. Aber trinken muß er; wer ißt, hat auch Durst. Von irgendwoher muß er sich also Trinkbares verschaffen.«
    »Das kann er überall.« Der Chief breitete die Arme aus wie ein Prediger. »Einen tropfenden Wasserhahn findet er immer. Und es gibt hundert Hähne, die er aufdrehen kann. Ruckzuck auf, Mund drunter gehalten, trinken, ruckzuck wieder zu … Zufall, wenn in diesem Augenblick gerade einer um die Ecke käme.«
    »Da hast du recht,

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