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Der Klabautermann

Der Klabautermann

Titel: Der Klabautermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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damals verwandt hatte, überholt war. Zweierlei Metall – das gab immer Spannungen.«
    »Jetzt haben Sie eine Chromlegierung drin. Die hält bis zum Jüngsten Tag.« Dr. Schwengler legte den Mundspiegel weg. »Etwas Zahnstein hat sich gebildet, der müßte weg.«
    »Rühren Sie mich nicht an, Doktor!« Fehrenwaldt sagte es in scherzendem Ton, aber er meinte es ernst. »Zahnsteinentfernung ist etwas Ekelhaftes. Dieses Weghebeln, Wegkratzen, Wegschleifen …«
    »Aber, aber, Sie haben doch keinen Steinbruch im Mund!«
    »Beim Schleifen stinkt es wie bei einem Hufschmied.«
    »Als kleiner Junge – ich bin auf dem Land aufgewachsen – war die Hufschmiede mein liebster Platz.«
    »Darum sind Sie vielleicht auch Zahnarzt geworden.«
    »Sie werden nichts spüren und nichts riechen. Das saugen wir alles weg!« sagte Schwengler burschikos. »Und hinterher können Sie wieder durch die Zähne pfeifen.«
    »Das will ich gar nicht. Ich habe stets nur mit den Fingern gepfiffen.«
    Dr. Schwengler schob die Instrumentenschublade zu. »Wie Sie wünschen, Herr Fehrenwaldt. Dann ist die Sitzung beendet.«
    »Nun seien Sie nicht so stur, Doktor. Ich bin doch ein braver, gestrafter Patient. Ich mach ja den Mund auf. Nun fangen Sie endlich an, Sie Dickkopf. Aber ein Honorar zahle ich Ihnen dafür nicht …«
    Die Zahnsteinentfernung verlief ohne Proteste Fehrenwaldts. Schwengler war ein hervorragender Arzt, arbeitete schnell, schmerzfrei und untermalte seine Behandlung mit Kommentaren wie diese: »Ha! Hier haben wir ja einen prächtigen Findling! So was nahm man damals zur Abdeckung germanischer Heldengräber. Und was ist denn das? Eine Konkurrenz zu den Marmorbrüchen von Carrara? Da nehmen wir jetzt mal einen schönen Obelisk weg …«
    »Sie sind ein Sadist, Doktor«, sagte Fehrenwaldt befreit, als alles vorüber war. »Nein, ich habe nichts gespürt bis auf das Knacken, das ich noch im Hirn spürte. Aber Ihre Germanengräber waren eine Gemeinheit. Hatte ich wirklich solche Dinger im Mund?«
    »En miniatur … nicht der Rede wert.« Dr. Schwengler grinste. »Aber um Sie abzulenken, regte ich Ihre Phantasie an.«
    »Das ist Ihnen meisterlich gelungen.«
    Von dieser Stunde an waren sie so etwas wie Freunde. Männer sind eben so. Frauen werden das nie verstehen.
    Das alles, nur in nüchternen Worten, erzählte Dr. Schwengler später Kapitän Hellersen. »Als ich dann an Land ging, hat er mir vom Promenadendeck aus zugewunken«, fügte er noch hinzu. »Den Ausflug wollte er nicht mitmachen; er ahnte wohl, wie anstrengend er werden würde. Drei Stunden später habe ich ihn beneidet.«
    »Und während das ganze Schiff fast leer war, sind Orangen, Backwaren, Möhren, Butter und andere Dinge gestohlen worden. Später lagen die Orangenschalen an Deck verstreut herum. Und vier leere Kiwischalen.«
    »Sie glauben doch wohl nicht, daß Konsul Fehrenwaldt … Das ist doch absurd, Herr Kapitän!« empörte sich Dr. Schwengler.
    »Absurd ist alles, was wir in den letzten Tagen erlebt haben!« Hellersen ging zu einem Wandschrank, holte einen Glasteller heraus und zeigte ihn Schwengler. Auf dem Teller lagen zwei leere Kiwischalen. »Sehen Sie sich die mal an, Doktor. Dr. Schmitz meint, das würde Sie interessieren.«
    »Ausgeschälte Kiwis?« Dr. Schwengler beugte sich über den Glasteller. »Hat das wieder was mit kölschem Humor zu tun?«
    »Fällt Ihnen nichts auf, Doktor?« fragte Hellersen eindringlich.
    »Nee …«
    »Wie essen Sie Kiwis?«
    »Ich schäle sie mit einem Löffel aus.«
    »Und vorher?«
    »Vorher schneide ich sie natürlich auf. Mittendurch.«
    »Sie schneiden. Und was ist mit diesen Kiwis, Doktor?«
    Dr. Schwengler musterte noch einmal die Schalen. Und dann fiel er in Staunen.
    »Das habe ich glatt übersehen. Die Kiwis wurden mit den Zähnen aufgebissen. Mit einem Biß durchtrennt.«
    »Und Dr. Schmitz meint, die Schneidezähne stimmten im Abdruck mit denen auf dem Hallau-Manuskript überein. Was meinen Sie?«
    »Da müßte ich – um ganz korrekt zu sein – erst Meßvergleiche anstellen.« Dr. Schwengler stellte den Glasteller auf den Tisch zurück. »Ich wiederhole: Es ist absurd, Herrn Konsul Fehrenwaldt zu unterstellen, daß er in Papiere und Kiwis beißt. Und daß er um diese Zeit allein an Bord war – das heißt, ohne seine Frau – beweist gar nichts, im Gegenteil, man kann das hyperabsurd nennen. Fehrenwaldt ist nicht verrückt, er ist von hoher Intelligenz. Und wenn Sie jetzt an Schizophrenie denken … Fehlanzeige,

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