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Der Klabautermann

Der Klabautermann

Titel: Der Klabautermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weiße Mütze aus der Kabine entwendet, ein Passagier sah etwas am Signalmast turnen, und Beatrice, die immer Mutige, wurde durch ein schreckliches Lachen von Deck gejagt … das alles ist nur eine kleine Auswahl von dem, was wir alle erlebt haben. Der erste Gedanke der Schiffsführung war: Wir haben einen blinden Passagier an Bord. Einen, das mußte man zugeben, ungewöhnlichen ›Blinden‹, der sich nicht, wie sonst üblich, still versteckte bis zum nächsten Hafen – ganz im Gegenteil: Er machte, wo immer es ging, auf sich aufmerksam. Das verstieß gegen jede Regel und erschien rätselhaft.« Hellersen holte tief Luft und sah in den Saal. Atemlose Spannung schlug ihm entgegen. »Ich darf Ihnen heute mit großer Freude mitteilen«, fuhr er fort, »daß unsere Beatrice den blinden Passagier entlarvt hat …«
    Im Saal kam Beifall auf. Man klatschte und rief sogar Bravo. Am lautesten aber rief Hallinsky.
    »Der bezahlt mir auch meine zwei Bier!« brüllte er. »Und auch die Beule kriegt er zurück!«
    »Ganz sicher nicht …« Hellersen lächelte breit. »Er hat nämlich keinen Pfennig Geld bei sich. Er ist in Bali heimlich an Bord gekommen und wird unser Schiff in Singapur wieder verlassen. Dort werden wir ihn den Behörden übergeben. Der Herr hat sich ausweisen können: Er ist ein anständiger Mann, von Natur aus etwas exzentrisch und sehr sportlich, wie das Hissen des BHs am Flaggenseil und das Turnen am Radarmast bewiesen hat. Ich bitte alle Passagiere, auch die Betroffenen, ihm die ›Untaten‹ zu verzeihen.« Hellersen hob die Stimme. »Der Herr legt Wert darauf, sich Ihnen jetzt vorzustellen.«
    Die Aufregung im Saal war ungeheuer. Die meisten Passagiere verließen ihre Tische und drängten nach vorn zum Kapitänstisch, auch die ›Geschädigten‹ sprangen auf und starrten zur rechten Eingangstür.
    »Durch einen Witz von Beatrice begannen wir alle, wieder an den Klabautermann zu glauben«, sprach Hellersen weiter. »Auch wenn es sich nur um eine Seemannssage handelt – es klabauterte bei uns in allen Ecken. Und so unrecht hatte Beatrice mit ihrem Klabautermann auch nicht. Eine Art Kobold ist unser Blinder tatsächlich, das läßt sich nicht verleugnen.« Hellersen hob wieder die Stimme. »Darf ich bitten, mein Herr!«
    Die Band übertönte das erregte Stimmengewirr im Saal. Sie spielte das altbekannte ›Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise …‹, was in dieser Situation sehr zutreffend war. Zwei Matrosen rissen die Tür auf, die Spannung machte sich in einem Luftholen von 600 Passagieren bemerkbar.
    Und dann erschien der blinde Passagier, links am Arm festgehalten vom Leitenden Ersten Hartmann, rechts festgehalten von Beatrice. Er trug die gestohlene weiße Mütze des Chief und bot einen erfreulichen Anblick.
    »Nein, so was …«, stammelte der Chief. »Das haut einen doch glatt um …«
    Für ein paar Sekunden war Stille im Saal, dann brach ein Jubel unter den Passagieren aus, Händeklatschen, schallendes Lachen und mitten im Lärm undeutliche Zurufe.
    Am Kapitänstisch ließen Hartmann und Beatrice den ›Blinden‹ los. Er reckte sich hoch auf, legte die Hand grüßend an die Mütze des Chief und stieß das Lachen aus, das so in Panik versetzt hatte.
    »Das is'n Ding!« Hallinsky war begeistert. »Mit dem trinke ich eine Runde Bier!«
    »Darf ich vorstellen«, rief Hellersen durch das Mikrophon in den lauten Jubel hinein: »Herr Coco aus dem Zoo von Bali. Ein neun Jahre alter, ausgewachsener, besonders kräftiger, gelehriger, kluger und mutiger Schimpanse. Nach Rückfrage in Bali der ganze Stolz des Zoos. Aber wie das so ist: Das Fernweh hatte Coco gepackt … Er bittet alle um Verzeihung …«
    Ein neuer Tusch der Bordband beendete die Vorstellung des blinden Passagiers. Gut einstudiert kamen jetzt alle Tischstewards und servierten die Vorspeise, die Passagiere drängten zu ihren Tischen zurück. Die feierliche Stille des Candlelight-Dinner war dahin. Coco, der Schimpanse, war der Mittelpunkt aller Gespräche.
    Er wußte es genau und benahm sich auch danach. Er kletterte auf den freien, für ihn reservierten Stuhl neben den Kapitän, nahm dort Platz, klatschte in die Hände und sah um sich: Bedienung bitte … Um seinen Hals pendelte seine Erkennungsmarke an einem silbernen Kettchen.
    Drei Stewards und eine Stewardeß trugen die Vorspeise auf, scharf beobachtet von Coco, der auffordernd die Zähne fletschte. Hallinsky, der ihm am nächsten saß, deutete auf seine Beule.
    »Das war nicht nötig,

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