Der Klang der Sehnsucht - Roman
Metallbecher mit kaltem Wasser auf einem Silbertablett ins Zimmer. Sie grinste Kalu an, als er den Kopf schüttelte. »Schau nicht so ängstlich, Großauge«, flüsterte sie. »Ich komme wieder, sobald ich in der Küche fertig bin.«
Kalu hörte, wie das Tor sich öffnete. Malti hielt ihn an der Schulter fest, als Ganga Ba sich erhob und so rasch und behände, wie es Kalu noch nie bei ihr gesehen hatte, dem Vaid entgegeneilte. Auf eine längere Stille folgten ein paar kurze Worte. Kalu war überzeugt, dass Ganga Ba den Mann hinauswerfen und dass sein Fuß nie untersucht würde.
Er schüttelte Maltis Hand ab und stand auf, um dem Vaid notfalls zu folgen. Dann hörte er Ganga Ba lachen, und sie kam am Arm des Vaid zurück ins Zimmer. Dieser geleitete die alte Dame zu ihrem Diwan, während er sie zu ihrer guten Gesundheit beglückwünschte.
»Versuchen Sie ja nicht, mich einzuwickeln, junger Mann. Ich weiß genau, wie lange diese Knochen schon auf der Welt sind, und ich kenne ihre Launen … Schauen Sie sich jetzt den Jungen an. Wir alle wissen, dass Sie nicht meinetwegen hier sind.«
Endlich wandte sich der Vaid Kalu zu. Er sah genauso aus wie am Morgen. Saubere Kleidung, weißes Haar, gütige Augen. Nur Ganga Ba konnte auf die Idee verfallen, ihn einen jungen Mann zu nennen. Er forderte Kalu auf, sich zu setzen, und kniete neben ihm nieder. Dies sei die beste Position für seine Arbeit, sagte er.
»Bist du bereit, Kalu?«
»Natürlich ist er das!«, versetzte Ganga Ba.
Der Vaid sah dem Jungen tief in die aufgerissenen Augen. »Willst du, Kalu? Es ist deine Entscheidung. Ich kann nicht versprechen, dass ich deinen Fuß heilen werde, und die Behandlung
wird auch nicht immer angenehm sein. Die Wunde ist stark entzündet, und es kann lange dauern, bis sie geheilt ist.«
Kalu nickte und streckte seinen Fuß aus. Dabei sah er den Vaid wie gebannt an. Er bemerkte nicht einmal, dass Malti kam und wieder ging, um kochendes Wasser zu holen. Seine Welt beschränkte sich momentan auf die Augen und Hände des Vaid. Seine kräftigen, sauberen Finger hinterließen einen Anflug von Wärme, als sie Kalus Fuß abtasteten.
Anschließend reinigte der Vaid die Wunde mit heißem Wasser, entfernte Schmutz und Eiter und wusch dann den ganzen Bereich mit einer blassgrünen, scharf prickelnden Mixtur. Allmählich verdrängte der Geruch nach Erde, Gelbwurz und Minze den von Fäulnis. Der Vaid zog ein abgegriffenes Glas hervor, schraubte es auf und bestrich die Wunde mit einer Paste. Dann legte er eine Schicht getrockneter Kräuter auf und fixierte das Ganze mit einem festen Kreppverband.
»Das muss vorerst so bleiben. Lass den Verband in Ruhe, bis ich wiederkomme, und pass auf, dass er nicht nass wird. Dann werden wir sehen.«
Kalu betrachtete seinen Fuß. Er hatte noch nie in seinem Leben etwas so Weißes gesehen. Die weiche, elastische Binde wirkte fremd, aber höchst beruhigend. Gerade weil sie so fest und weiß war, verlieh sie Kalu ein Gefühl von Sicherheit.
Der Vaid wischte sich die Hände an einem feuchten, warmen Handtuch ab. »Behalten Sie ihn hier, Ganga Ba, wenn es irgend geht. Ich weiß, das bedeutet eine zusätzliche Belastung für Sie. Und wenn Sie sich ihr nicht gewachsen fühlen …«
Nachdem Ganga Ba den Vaid in Kenntnis gesetzt hatte, dass niemand besser geeignet sei, ein Auge auf »den kleinen Strolch« zu haben, bat sie ihn, doch noch eine Stärkung zu sich zu nehmen, aber der Vaid lehnte ab und brach fast ohne ein weiteres Wort auf.
Es herrschte die übliche Abendstimmung, und durch die offene Tür drangen das Klingeln von Fahrrädern und der Duft
von Jasmin und Kampfer. Erst als die Tür sich geschlossen hatte, fiel Kalu ein, dass er dem Vaid weder gedankt noch ihm eine Bezahlung angeboten hatte.
Als er sich aufrappelte, um dem Vaid nachzulaufen, legte Malti ihrem kleinen Freund tröstend die Hand auf die Schulter. »Er kommt ja wieder, Kalu. Warten wir erst mal ab, ob seine Behandlung wirkt.«
»Natürlich wirkt sie. Du schläfst heute Nacht im Hof, Kalu. Und das machst du von nun an jede Nacht, bis der Vaid zurück ist!«, entschied Ganga Ba mit einer Geste, als wolle sie ein Moskito wegschnicken. »Niemand soll behaupten, dass die Arznei von unserem Vaidji nicht hilft, weil ich etwas versäumt hätte, oder dass du woanders besser aufgehoben gewesen wärst. Keine Widerrede, raus mit dir! Ich will in Ruhe fernsehen. Raus mit euch beiden. Und du, Malti, gibst Kalu etwas Büffelmilch, der Bengel ist ja
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