Der Klang des Herzens
verschwamm. Verlegen griff sie zur Speisekarte. Sie hörte, wie Nicholas ihr einen Drink bestellte und den Kellner bat, ihnen noch ein wenig Zeit zu lassen. Als ihr Gin Tonic eintraf, hatte sie sich wieder in der Gewalt.
»Ich werde dir jetzt … ich finde, wir sollten uns duzen.« Er nickte. »Nun, ich werde dir das Allernötigste erzählen, und dann denken wir nicht mehr dran. Ich will einen schönen Lunch genießen und nicht mehr daran denken.« Seine Hand
lag auf dem Tisch, als würde er gern die ihre nehmen, fürchtete aber, vorschnell zu sein.
»Es ist die Frau, der das Große Haus gehört«, erklärte sie, immer noch mit dieser spröden Stimme. »Das Haus auf der anderen Seite des Sees, das Haus, das Sie … das du so schön fandest.« Er zuckte sichtlich zusammen, und Laura wurde bei so viel Loyalität warm ums Herz.
»Mein Mann leitet dort die Renovierungsmaßnahmen, also nehme ich an, dass …«
» Dein Mann?« Komisch, wie er das sagte, aber sie achtete nicht weiter darauf. Sie musste weiterreden, oder sie würde es nie herausbekommen.
»Die ganze Zeit hat er zu mir gesagt, dass er das alles für uns macht. Wir wollten dieses Haus unbedingt haben, weißt du. Der alte Mann, der früher dort wohnte, hat es uns so gut wie in die Hand versprochen. Wir haben uns jahrelang um ihn gekümmert. Als die Witwe einzog, hat Matt sich erboten, die nötigen Renovierungsarbeiten zu übernehmen. Er hat mir im Stillen anvertraut, dass sie dort nie glücklich sein würde, dass sie sich die nötige Renovierung nicht leisten kann, dass sie das Haus bis spätestens Weihnachten aufgeben würde. Er hat mir weisgemacht, dass er das alles für uns macht.« Sie hielt inne und nahm einen Schluck.
»Und dann habe ich zufällig dieses Gespräch mit angehört. Und weißt du, was? Er will dort mit ihr leben! Er will bei ihr einziehen. Diese Frau hat also nicht bloß das Haus gekriegt, jetzt kriegt sie auch noch meinen Mann.« Sie lachte, ein scharfes, unfrohes Lachen. »Er benutzt die Pläne, die wir zusammen ausgetüftelt haben. All die kleinen, schönen Dinge, die ich mir ausgedacht habe. Er wollte sogar, dass ich mich mit ihr anfreunde. Ist das zu fassen?«
Sie hätte gedacht, dass Nicholas jetzt vielleicht ihre Hand nehmen, etwas Tröstliches sagen, ihr versichern würde, wie blöd ihr Mann sei. Aber er war tief in Gedanken versunken.
Du liebe Güte, ich langweile ihn, dachte sie in einem Anfall von Panik. Er wollte sich mit einer gut gelaunten Frau zum Lunch treffen und kriegt stattdessen eine bittere, betrogene Ehefrau.
»Entschuldige …«, begann sie.
»Nein, Laura, ich muss mich entschuldigen. Es gibt da etwas, das ich dir sagen muss. Etwas, das du wissen solltest … Bitte. Jetzt schau nicht so ängstlich. Ich … ach, Menschenskind!« Gereizt winkte er den Kellner fort, der schon seit einiger Zeit um sie kreiste.
»Nein«, widersprach Laura, die das Unvermeidliche noch ein wenig aufschieben wollte, und rief den Kellner zurück. »Ich möchte gerne bestellen. Ich nehme die Seebrasse.«
»Ebenso«, sagte Nicholas.
»Und ein Wasser«, sagte Laura, »still. Ohne Eis.«
Jetzt fürchtete sie sich vor dem, was Nicholas ihr zu erzählen hatte. Wahrscheinlich war er verheiratet. Oder er hatte seine Meinung über sie, über sie beide, geändert. Er war nie an ihr interessiert gewesen, jedenfalls nicht so, wie sie es sich eingebildet hatte. Er litt unter einer unheilbaren Krankheit.
Als der Kellner weg war, schaute sie ihn an. Seine Augen schienen sie keinen Moment verlassen zu haben. »Was wolltest du sagen?«, fragte sie höflich.
»Ich möchte keine Geheimnisse vor dir haben, Laura. Und du nicht vor mir. Wir sollten ganz offen zueinander sein.«
Laura nahm noch einen Schluck.
»An dem Tag, an dem wir uns getroffen haben. Da hatte ich mich gar nicht verirrt.«
Sie runzelte die Stirn.
»Ich wollte noch mal einen Blick auf das Spanische Haus werfen. Ich war ein paar Wochen vorher zufällig darauf gestoßen, hab von seiner Geschichte erfahren und dachte, da ließe sich was draus machen.«
»Was draus machen?«
»Das ist es, was ich beruflich mache. Was ich gemacht habe. Ich bin Bauunternehmer. Ich … nun, ich finde hübsche Fleckchen und versuche, dort etwas Schönes hinzubauen.« Er lehnte sich zurück. »Und, um ehrlich zu sein, etwas, das sehr viel Geld einbringt. Ich habe gesehen, welches Potenzial in diesem Haus steckt. In diesem Grundstück.«
»Aber es steht gar nicht zum Verkauf.«
»Ich weiß. Aber ich
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