Der Klang des Herzens
habe gehört, in welchem Zustand es ist und dass die Eigentümerin wenig Kapital hat. Ich dachte, ich könnte ihr ja mal ein Angebot machen.«
Laura faltete ihre Serviette zusammen und wieder auseinander. Ein schöner, schwerer, gestärkter Stoff. Der in Kürze beschmutzt werden würde. »Und warum hast du nicht?«
»Weil die Zeit noch nicht reif dafür war. In meiner Branche muss man abwarten können. Außerdem wollte ich zuerst mal so viel wie möglich über das Haus in Erfahrung bringen. Ich dachte, wenn ich abwarte, bis sich ihre Lage noch verschärft hat, wäre sie eher geneigt, mein unterstes Angebot anzunehmen. Das klingt hässlich, ich weiß, aber so läuft das in dieser Branche.«
»Wie praktisch für dich, dass du mich getroffen hast«, bemerkte Laura steif. »Jemanden, der so viel über dieses Haus weiß.«
»Nein«, entgegnete er vehement. »Im Gegenteil, du hast mich von dem Haus abgelenkt. Überleg doch mal, Laura – wir haben nie über das Haus geredet. Du hast mir nicht das Geringste darüber erzählt. Ich wusste gar nicht, dass du damit zu tun hast. Für mich warst du einfach … diese wunderschöne Erscheinung, die plötzlich im Wald auftauchte.«
Sie war mittlerweile so misstrauisch geworden, sie konnte sich kaum mehr vorstellen, dass jemand sie um ihrer selbst willen mögen könnte.
Jetzt streckte er seine Hand nach ihr aus, und sie nahm sie. Es war gar nicht so schwer. Seine Finger schlossen sich um
die ihren – weiche, elegante Hände mit perfekten Nägeln. So ganz anders als die ihres Mannes.
»Seit Jahren wünsche ich mir dieses Haus, schon seit ich verheiratet bin«, gestand sie. »Wir sind nie eine richtige Familie geworden, und ich dachte, das würden wir vielleicht, wenn wir in diesem Haus wohnten.«
»Ich werde ein Vermögen für uns machen. Wir können uns ein viel besseres Haus bauen.«
Ihr Kopf zuckte hoch.
»Entschuldige«, sagte er, »das war wohl etwas verfrüht. Aber es ist so. Ich habe nicht mehr so empfunden, seit ich meine Frau kennenlernte. Meine geschiedene Frau. Aber das ist lange her. Jetzt kennst du die Wahrheit.«
Er war also schon einmal verheiratet gewesen. Das musste sie erst mal verdauen. Aber warum sollte sie das überraschen? »Ich weiß nicht allzu viel über dich, oder?«, sagte sie leise.
»Dann frag.« Er lehnte sich zurück. »Alles, was du wissen willst. Ich bin fast fünfzig, und die letzten Jahre waren alles andere als leicht. Ich fürchtete schon, mein Leben verpfuscht zu haben. Aber auf einmal habe ich wieder das Gefühl, dass es aufwärtsgeht. Und es geht aufwärts! Meine Karriere ist wieder im Anstieg, ich fühle mich besser als seit Jahren, ich habe wieder Geld auf der Bank, und ich habe diese wunderschöne Frau kennengelernt, die keiner zu schätzen weiß, nicht mal sie selbst. Die gar nicht weiß, wie unglaublich, wie großartig sie ist.«
Laura brauchte einen Moment, bis sie begriff, dass er von ihr sprach.
»Du bist einfach erstaunlich, Laura«, sagte er und hob ihre Hand an seine Lippen. »Du bist klug und freundlich, und du verdienst so viel mehr. In jeder Beziehung.«
In diesem Moment wurde mit dramatischem Schwung das Essen aufgetragen, und sie mussten einander loslassen. Laura starrte ihren Fisch an, der auf einem auffallend grünen Spinatbett
lag, garniert mit einer endlos reduzierten Soße. Aber etwas fehlte. Es hatte nichts mit ihrem Magen zu tun. Es war Nicholas. Ihr fehlte seine warme Hand. Sie musterte ihn, während er sich beim Kellner bedankte, musterte seine adlerartigen Gesichtszüge, seine selbstsichere, gelassene Art. Als der Kellner fort war, streckte sie die Hand wieder aus.
Seine Finger schlossen sich um die ihren. »Wann hast du gesagt, musst du wieder zur Arbeit?« Ihre Stimme klang nun weit selbstsicherer.
»Gar nicht. Ich habe so viel Zeit für dich, wie du willst.«
Sie warf einen Blick auf ihren Fisch, schaute dann wieder Nicholas an. Ihre Blicke verhakten sich. »Ich bin nicht hungrig«, sagte sie.
Sie war so froh, dass sie getroffen hatte. »Hast du das gesehen?«, rief sie, ihn unbewusst duzend. »Mein Gott, hast du das gesehen?« Sie packte ihn beim Arm, riss sich das Tuch vom Kinn und sprang auf.
Byron folgte ihr. »Mitten ins Schwarze«, sagte er und ging zu dem Kaninchen. »Hätte es selbst nicht besser gekonnt. Hier, bitte. Abendessen.« Er hielt das Tier an den Hinterläufen hoch. »Jetzt brauchen wir nur noch ein bisschen wilden Knoblauch dazu.« Er überzeugte sich davon, dass das
Weitere Kostenlose Bücher