Der Klang des Herzens
nicht der Typ, was?«
»Nein. Ich selbst hasse es so sehr, Geigenunterricht erteilen zu müssen, dass ich mich frage, wie das jemand freiwillig auf sich nehmen kann.« Sie warf einen Blick zu ihm hoch. »Aber Sie können gut mit Kindern umgehen«, sinnierte sie, »mit Thierry. Sie wären sicher ein guter Lehrer geworden.«
»Ja.« Er hielt inne. »Na ja, mir gefällt dieses Leben hier.«
Er verriet nicht, warum er sich letztlich anders entschieden hatte und doch nicht Lehrer geworden war, und sie fragte nicht weiter. Außerdem, wer würde sich schon freiwillig in ein Klassenzimmer stellen, wenn er in der freien Natur arbeiten konnte? Sie spürte, dass Byron gerne mit ihr allein war; seine Bewegungen wurden dann freier, ungezwungener, seine Unterhaltung weniger steif. Vielleicht deshalb, vielleicht aber auch, weil sie sonst niemanden hatte, mit dem sie hätte reden können, erzählte sie ihm die Wahrheit über das Haus.
»Es ist schwer«, gestand sie, »denn ich wohne mittlerweile sehr gerne hier. Ich könnte mir gar nicht mehr vorstellen, in die Stadt zurückzuziehen. Aber manchmal habe ich Angst, dieses Haus wird uns noch ruinieren.«
Byron schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann aber offenbar anders. Das überraschte sie nicht; er arbeitete schließlich für Matt. Dann: »Ja, es ist ein großes Haus«, sagte er vorsichtig.
»Ein Fass ohne Boden«, ergänzte sie. »Es verschlingt buchstäblich alles, was ich habe. Aber ich möchte unbedingt, dass Matt seine Arbeit fertig macht. Ich weiß, Sie arbeiten für ihn, Byron, aber ich finde es … schwierig mit ihm. Ich würde liebend gerne verkaufen und in ein kleineres Haus ziehen, dessen Unterhalt weniger aufwändig und teuer ist, aber er hat so viel rausgerissen – es gibt kein Zimmer, das unangetastet geblieben ist. Und dabei haben wir noch nicht mal ein funktionstüchtiges Badezimmer. So kann ich das Haus unmöglich verkaufen – nicht, wenn ich mir dafür was halbwegs Anständiges kaufen will.
Das Schlimme ist, ich kann’s mir eigentlich gar nicht mehr leisten, dass er überhaupt weitermacht. Trotz aller Einsparungen«, sie deutete auf die Pilze, »habe ich kaum noch genug übrig, um das zu bezahlen, was er bereits gemacht hat.«
Sie musste an diese fürchterliche Nachricht denken, die er auf ihren Anrufbeantworter gesprochen und die sie am nächsten Morgen entdeckt hatte. Entsetzt hatte sie sie gelöscht, heilfroh, dass die Kinder sie nicht zufällig abgehört hatten. Wir könnten glücklich werden, du und ich , hatte er gesagt – dabei wusste er doch überhaupt nichts über sie.
»Na, jedenfalls … Ich bin sicher, ich finde eine Lösung.« Sie lächelte tapfer und hoffte, er würde nicht merken, dass sie den Tränen nahe war. »Vielleicht mache ich ja einen Klempnerkurs und baue mir selbst eine Badewanne ein«, scherzte sie.
Aber Byron lachte nicht. Wortlos gingen sie weiter. Isabel fragte sich, ob sie ihn mit ihrer Offenheit möglicherweise in Verlegenheit gebracht hatte. Er schien die Zähne zusammenzubeißen, denn seine Kiefermuskeln traten hervor.
»Was für ein herrlicher Morgen«, sagte sie schließlich. Ihr war klargeworden, dass es unfair gewesen war, ihm ihre Sorgen wegen des Hauses und wegen seines Chefs anzuvertrauen. »Manchmal habe ich das Gefühl, ich könnte ewig im Wald bleiben.«
Er nickte. »Wenn ich ganz früh im Wald bin, dann stelle ich mir manchmal vor, ich wäre der einzige Mensch auf der Welt.«
Dieses Gefühl kenne ich auch, wenn ich im Wald bin, dachte sie. Manchmal, an einem Morgen wie diesem, genoss sie es regelrecht, von der Zivilisation abgeschnitten zu sein und am Ende mit einem Sack voller Essensvorräte für ihre Lieben zurückzukommen, beinahe wie in der Steinzeit. Das Leben auf dem Lande erschien einem viel weniger schwer, wenn man begriff, dass man sich hier beinahe ohne Geld ernähren konnte.
Byron hob den Arm. »Dort«, sagte er leise.
Sie stellte behutsam ihren Korb ab und kauerte sich neben ihn hinter den Baum. Weiter vorn begann das Feld, auf dem nun goldgelb der Weizen stand.
»Großer Bau an der Ecke«, flüsterte er. Er befeuchtete einen Finger und hielt ihn hoch. »Gegenwind, das ist gut. Legen Sie das Gewehr an, und rühren Sie sich nicht.«
Sie zog sich das Tuch über die Nase, hob das Gewehr an die Schulter und wartete reglos. Byron meinte, sie sei erstaunlich gut darin. Isabel führte das auf ihr Geigenspiel zurück. Sie war stark, vor allem im Oberkörperbereich, wo sie jeden
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