Der Klang des Herzens
verloren gegangen.«
»Wie meine Rollschuhe«, warf Thierry ein, der neben ihr saß. »Die sind auch verschwunden.«
»Die tauchen schon wieder auf, die Servietten. In zwei Jahren wahrscheinlich, wenn ihr gerade neue gekauft habt. Sicher liegen sie noch irgendwo in einer Umzugskiste«, sagte Henry.
»Ich will aber nicht zwei Jahre auf meine Rollschuhe warten.« Thierry hob ein Bein und stemmte es gegen Henrys Sitz. »Dann sind sie mir zu klein. Gibt’s da was zu essen, wo wir hinfahren?«
Sie hatte Thierry eigentlich nicht mitnehmen wollen, aber als sie heute früh nach unten kam, hatte sie ihre Mutter auf dem Sofa schlafend vorgefunden. In den Klamotten vom Vortag. Wahrscheinlich wieder die ganze Nacht geübt; wäre nicht das erste Mal gewesen. Mum sah aus, als könnte sie den Schlaf gebrauchen. Und deshalb hatte sie Thierry und Pepper mitgenommen, die sonst zu laut gewesen wären und ihre Mutter geweckt hätten.
»Cola. Ihr jungen Leute trinkt doch heute alle Cola. Die gibt’s günstig im Discount-Markt«, überlegte Henry. »Und
Saft. Du könntest ihn mit Sprudel mischen und als Schorle anbieten.«
»Dafür reicht mein Geld bestimmt nicht. Ich werde einfach noch mehr Holundersaft machen.«
Asad summte mit der Musik aus dem Stereoradio mit, trommelte mit den Fingern den Takt aufs Armaturenbrett. »Eiswürfel«, sagte er. »Einen großen Beutel. Ihr könnt unsere Kühlbox benutzen, weil ihr ja immer noch keinen Kühlschrank habt.«
»Und wer soll die schleppen?«, warf Henry ein. »Die wiegt doch’ne Tonne.«
»Wir«, verkündete Thierry. »Ich bin in den letzten sechs Wochen fast vier Zentimeter gewachsen. Mum hat eine Kerbe in den Türstock gemacht.«
»Du solltest vorher festlegen, wie viel du höchstens ausgeben willst«, riet Henry. »Im Discounter kriegst du’s zwar viel billiger, aber das wird eine Riesenparty. Viele Mäuler zu stopfen. Wie viel Geld hast du?«
»Zweiundachtzig Pfund«, sagte Kitty. Eigentlich wären es zweiundsechzig gewesen, aber heute war eine Geburtstagskarte plus Scheck von ihrer französischen Großmutter eingetroffen.
»Wie wär’s mit Grillen?«, fragte Henry. »Was meinst du, Asad?«
»Zu teuer. Hotdogs genügen«, antwortete dieser. »Und jede Menge Salate. Reissalate und Nudelsalate für die Vegetarier. Die kann ich für dich machen. Und als Nachspeise? Frische Beeren aus dem Garten, hast du gesagt?«
Das wird die beste Party, die’s je gab, dachte Kitty. Fast alle aus ihrer Klasse wollten kommen. Sie waren ganz begeistert gewesen, als sie ihnen von dem See erzählt hatte. Ein Freund von Anthony wollte ein Schlauchboot mitbringen, und Anthony hatte eine Luftmatratze.
»Wir müssten noch ein paar von diesen Wimpelketten im
Keller haben, oder, Asad?«, meinte Henry. »Die könnten wir ans Gerüst binden; das würde es etwas hübscher machen.«
»Im Keller? Da haben wir doch ewig nicht mehr reingeschaut. Diese Wimpelketten stammen wahrscheinlich noch vom silbernen Kronjubiläum der Queen«, erwiderte Asad.
»Und Teelichter«, sagte Henry begeistert, »den ganzen Weg entlang, bis runter zum See. Die kannst du dann anzünden, wenn’s dunkel wird. Sehr teuer sind die nicht; da kriegst du hundert Stück für ein paar Pfund.«
Kitty hatte zwar lange gebraucht, aber jetzt, da sie hier mit Asad und Henry im Wagen saß, kam ihr zu Bewusstsein, dass sie kein Heimweh mehr hatte. Wenn ihr vor sechs Monaten jemand gesagt hätte, dass ihre Vorstellung von einem Riesenspaß darin bestehen würde, mit zwei ältlichen Schwulen zum Discounter zu fahren, sie hätte geheult wie ein Schlosshund. Aber jetzt wollte sie gar nicht mehr zurück nach London. Natürlich vermisste sie ihren Dad noch immer – wahrscheinlich würde sie nie an ihn denken können, ohne einen Kloß im Hals zu haben -, aber vielleicht hatte Mum doch recht gehabt. Vielleicht war es ja wirklich besser gewesen, wegzuziehen von all den Erinnerungen an ihn und irgendwo ganz neu anzufangen.
»Irgendeine Art Syllabub oder Fool , du weißt schon, diese Nachspeise aus Obstpüree mit Sahne oder Eiercreme. Mit Erdbeeren. Oder Stachelbeeren.«
»Wie macht man denn einen Strawberry - Fool ?«, erkundigte sich Asad.
»Indem man ein junges Ding zwischen zwei so alte Schwuchteln wie uns setzt, Dummerchen«, sagte Henry und brach in ungezügeltes Gekicher aus, während die Kinder hinten verständnislose Gesichter machten.
»Aber was genau hat er gesagt?« Er klemmte sich das Handy zwischen Ohr und Schulter. »Warte,
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