Der Klang des Herzens
zusammen, hinterließ ein Vakuum, wo zuvor Gefühl gewesen war.
Byron und Isabel im großen Schlafzimmer. In seinem Schlafzimmer.
In seinem Bett.
Matt schüttelte den Kopf, einmal, noch einmal, als würde er ihn damit wieder klar bekommen. Dann stand er ganz still. In seinem Kopf rauschte es, und da war dieses Keuchen. Das musste er selbst sein. Langsam, wie im Traum, ging er in den Gang hinaus und machte sich auf den Weg nach unten. Dorthin, woher die Musik kam.
Ich spiele so gerne in einem Orchester, dachte Isabel, während sie zu den letzten Takten des Finale kam. Sie kannte Musiker, die ein Orchester als Musikfabrik bezeichneten und die Streicher für eine Art Wurstmaschine hielten, die auf Befehl Musik ausspie. Aber ihr gefiel die Kameraderie. Das erregende Gefühl, einen Klangwall zu bilden, ja selbst das Einstimmen vor dem Konzert. Vor einem guten Publikum konnte selbst das atemberaubend sein. Und dann natürlich die raren Momente wahrer Genialität, die manche großen Dirigenten hervorbrachten. Wenn sie doch bloß wieder in einem Orchester spielen könnte, selbst wenn es nur ein paar Mal im Monat wäre. Es würde ihr ein Stück ihrer selbst wiedergeben, ein Stück, das ihr schmerzlich fehlte. Etwas, das über dieses Haus und die damit verbundenen ständigen Probleme hinausging.
Sie war gerade dabei, mit einem Harzstück die Bogenhaare einzureiben, als sie etwas hörte. War das Matt, da auf der Treppe?
»Matt?«, rief sie, aber es kam keine Antwort.
Isabel setzte die Geige an, überprüfte die Saiten, nahm winzige Stimmkorrekturen vor. Diese Geige, dachte sie abwesend, wird nie so klingen wie die Guarneri. Die spielt wahrscheinlich gerade jemand anders. Jemand anders genoss den satten Klang der G-Saite, die schimmernde Brillanz des A. Und was habe ich?, dachte sie fast lachend. Zwölf Quadratmeter neue Dachziegel und einen neuen Abwassertank.
Sie wollte gerade wieder zu spielen anfangen, als ein dumpfes,
rhythmisches Geräusch an ihr Ohr drang, eine Art wumm, wumm . Sie stand ganz still da und überlegte, was genau sie Matt aufgetragen hatte. Mit den Leisten war er bereits fertig. Verputzen machte keinen Lärm. Und im Bad mussten ihres Wissens bloß noch die Armaturen angeschlossen werden. Immer wieder kam es, dieses wumm, wumm, und dann ein lautes Krachen. Putz rieselte von der Decke.
Isabel sprang zur Tür.
»Matt?«
Nichts. Nur wieder dieses wumm, wumm, wumm . Ein ominöses Geräusch.
»Matt?«
Sie legte ihre Geige auf den Küchentisch und ging rauf zur Eingangsdiele. Er war oben, im zweiten Stock. Sie erklomm die Treppe. Jetzt war es deutlicher zu hören – er schien mit einem schweren Gegenstand auf irgendetwas einzuschlagen.
Langsam näherte sie sich dem großen Schlafzimmer – und da war er. Schwitzend vor Anstrengung schlug er mit einem schweren Vorschlaghammer auf die Wand ein. Schon jetzt zeichnete sich ein Loch ab, etwa fünfzehn Zentimeter Durchmesser, durch das man ins benachbarte, immer noch unfertige Badezimmer schauen konnte.
Isabel starrte ihn fassungslos an. Er schien nichts um sich herum wahrzunehmen, holte weit aus und schwang den schweren Hammer auf das klaffende Loch zu. Dabei traten seine Arm- und Rückenmuskeln hervor.
»Was machen Sie da?«, schrie sie.
Er schien sie überhaupt nicht zu hören. Wieder holte er aus, schlug mehrere Backsteine heraus. Pflasterbrocken fielen von der Decke aufs Bett.
»Matt!«, brüllte sie, »was machen Sie da?«
Er hielt inne. Sein Gesichtsausdruck war undurchdringlich. Seine leuchtend blauen Augen schienen sie geradezu zu durchbohren.
»Es hat keinen Zweck«, sagte er mit erschreckender Ruhe. »Dieses Zimmer. Es hat keinen Zweck.«
»Aber – es ist doch ein wunderschönes Zimmer«, stammelte sie. »Ich verstehe nicht.«
»Nein«, sagte er und presste die Lippen zusammen. »Du hast es ruiniert. Ich muss es wegmachen.«
»Matt, du hast dir doch so viel …«
»Hat keinen Zweck.«
In diesem Moment wurde Isabel klar, dass sie mit einem Mann zu reden versuchte, der nicht mehr für Vernunftargumente zugänglich war.
Sie war ganz allein im Haus.
Mit einem Mann, der einen Vorschlaghammer schwang.
Ihre Gedanken rasten. Sie musste ihn irgendwie dazu bringen, damit aufzuhören, bevor er sich noch über die anderen Zimmer hermachte. Ein kleiner Teil von ihr versuchte, die Gefahr einzuschätzen, in der sie sich befand. Sei tapfer, sagte sie sich, du darfst dir nicht anmerken lassen, wie sehr du dich fürchtest.
Sie warf einen
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