Der Klang des Herzens
sich um den Abwasch kümmerte. Das war Nicholas’ Stichwort gewesen. Er konnte nicht länger warten.
Mike musterte ihn abschätzend. »Das Spanische Haus, hm? Was willst du damit?«
»Ich hab mich vorhin verfahren und bin aus Versehen dort gelandet. Fürchterlicher Weg! Seltsames Haus.«
»Ein Schandfleck ist es. Eine Ruine.«
Mike nahm einen tiefen Schluck Brandy und schwenkte sein Glas.
Er gab vor, Weinkenner zu sein, hatte während der ganzen Mahlzeit immer wieder kennerisch an den verschiedenen Weinen geschnuppert, von denen Nicholas keinen besonders bemerkenswert fand. Jetzt befürchtete er, sich gleich einen Vortrag über Cognac anhören zu müssen. Er hatte ganz vergessen, wie langweilig Mike manchmal sein konnte. »Denkmalgeschützt?«
»Dieser Schutthaufen? Nein. Hat man übersehen, als hier alles eingestuft wurde, weil’s so versteckt im Wald liegt. Ist jahrelang vernachlässigt worden.« Er schniefte. »Ist übrigens eine interessante Geschichte mit diesem Haus. Hat seit Ewigkeiten den Pottisworths gehört, weiß nicht genau, seit wann. Die waren hier eine der wichtigeren Familien, aber mehr am Draußen als am Drinnen interessiert, wenn du verstehst, was ich meine: Fischen, Jagen, Schießen, so was. Und der alte Samuel Pottisworth hat es in den letzten fünfzig Jahren total verfallen lassen. Hat es Matt McCarthy versprochen, einem alten Freund von mir. Er und seine Frau haben sich jahrelang rührend um den alten Knaben gekümmert. Aber dann ging’s an seine letzte noch lebende Verwandte. Eine Witwe, hab ich gehört.«
»Rentnerin?« Wenn sie alt ist, dachte Nicholas hoffnungsvoll,
wird sie wahrscheinlich kein Interesse an einem derart renovierungsbedürftigen Haus haben.
»I wo. Mitte dreißig, schätze ich. Zwei Kinder. Sind erst vor ein paar Monaten hergezogen.«
»Da wohnt jemand?«
Mike gluckste. »Frag mich nicht, wie – das Haus bröckelt ja schon an allen Ecken und Enden. Aber Matt ist ganz schön sauer. Ich glaube, er wollte es selbst herrichten. Sein Vater war lange dort angestellt. Es gab böses Blut zwischen ihm und den Pottisworths. Wollte damit wohl eine alte Rechnung begleichen. Irgend so ein Herr/Diener-Ding.«
»Und was hat sie jetzt damit vor?«
»Wer weiß? Sie ist nicht gerade ein Landpflänzchen. Wie ich höre, ist sie …«, er senkte die Stimme, als fürchtete er, belauscht zu werden, »… exzentrisch . Musikerin. Du kennst die Sorte.«
Nicholas nickte, obwohl er sie nicht kannte, die Sorte.
»Aus London – so was nenne ich eine Feuertaufe.«
Mike hob sein Cognacglas ins Licht. Was immer er sah, schien ihn zufriedenzustellen. »Ja, dieses Haus ist das, was ich ein Fass ohne Boden nenne. Kannst hundert Riesen reinstecken und hast nicht mal eine Ecke ausgepolstert. Trotzdem, der arme Matt war bitter enttäuscht, dass er’s nicht gekriegt hat. Man sollte sich nie zu sehr auf ein Objekt versteifen, sollte nie sein Herz dran hängen. Er hat den Fehler gemacht, das Ganze persönlich zu nehmen. Ich hab ihm den alten Rat von uns Maklern gegeben: ›Es gibt immer ein anderes Objekt.‹ Und wer weiß das besser als du, was, Nicholas? Was macht der Londoner Immobilienmarkt?«
»Du hast absolut recht. Es gibt immer ein anderes Objekt«, wiederholte Nicholas und streckte seine elegante Hand nach seinem Glas aus. Aber sein Kopf war voll vom Gedanken an das Spanische Haus.
ACHT
L aura war übel von dem betäubenden Geruch acht verschiedener Parfüms. Verstohlen öffnete sie ein Wohnzimmerfenster, obwohl es draußen noch nicht gerade frühlingshaft warm war. Um sie herum saßen sieben andere Frauen auf Sofas und Sesseln. Einige hatten ihre seidenbestrumpften Beine untergeschlagen, andere balancierten Kaffeetassen auf dem Schoß.
»Kaum zu glauben, dass sie die Einzige war, die’s nicht wusste. An der Schule hat’s fast jeder gewusst.«
»Aber er war auch nicht gerade diskret, oder? Geraldine hat sie gesehen, wie sie sich auf dem Lehrerparkplatz geküsst haben. Und das an einer kirchlichen Schule! Sie ist nicht gerade ein Aushängeschild für das sechste Gebot, oder?« Annette Timothys Hals war immer länger geworden, während ihre Stimme an Lautstärke zunahm.
»Du meinst wohl das siebte.« Michelle Jones nahm ihre Mitmenschen gerne ein bisschen hoch. »Im sechsten geht’s um Mord.«
»Wenn sie als Lehrerin an einer kirchlichen Schule schon kein Vorbild sein kann, wer dann?«, fuhr Annette fort. »Aber die arme Bridget tut mir leid. Was wird jetzt aus ihr? Sie ist das
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