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Der Klang des Herzens

Titel: Der Klang des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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Lebenssituation nicht erklären wollte. Er kannte die Reaktionen mittlerweile zur Genüge: von Seiten der Frauen ein mitleidig-erschreckter Blick, ein kurzes Mustern seiner schütter gewordenen Haare, von Seiten der
Männer kaum verhohlene Ungeduld, der Wunsch, das Thema so schnell wie möglich abzuhaken, als könne sein Absturz irgendwie ansteckend sein.
    Er wusste selbst, dass er, vier Jahre nach seinem ganz persönlichen Crash, anders aussah als früher. Die Leute kannten ihn in seinem smarten Savile-Row-Anzug, dem Audi-A8, charmant, stahlhart. Was sie dagegen jetzt sahen, war ein Mann mittleren Alters mit ergrauenden Haaren und einem nicht länger sportlich gebräunten Teint, wie er ihn sich früher bei Trips nach Genf oder zu den Malediven geholt hatte. Er war nun ein kleiner Immobilienmakler in einer schäbigen kleinen Immobilienagentur in einem noch schäbigeren Londoner Stadtviertel.
    »Sie haben die Einladung angenommen, was?«, bemerkte Charlotte, sobald er aufgelegt hatte. »Tut Ihnen gut, mal rauszukommen.«
    Sie hatte Schokolade am Kinn. Er beschloss, es ihr nicht zu sagen.
    Und da war er nun. Tat sich das Ganze noch mal an. Ein Abendessen. Keine Musik, keine bewegten Bilder, auf die man sich scheinbar konzentrieren konnte, um unangenehmen Fragen auszuweichen. Auf halbem Weg aus der Stadt hinaus fragte er sich, warum zum Teufel er diese dumme Einladung angenommen hatte.
    Doch dann fiel ihm wieder der Donnerstag ein, als er den ganzen Nachmittag lang irgendwelche Flyer durch Briefkästen geschoben hatte, das desolate Klappern der Briefschlitze, das misstrauische Zucken ergrauter Stores, das gedämpfte Bellen wütender Hunde. Der Regen, der langsam, aber stetig seinen einst guten Wollanzug aufweichte. Die deprimierende Erkenntnis, dass er neunundvierzig und dass dies aus ihm geworden war. Ein Panoramablick auf ein Leben voller Enttäuschungen und Erniedrigungen.
    Aber Mike war ein guter Kerl. War nie so erfolgreich gewesen
wie er selbst. Der würde ihn wohl kaum wegen seines Absturzes quälen. Und er hatte Diana nur einmal getroffen. Das allein war schon gut. Das Getriebe seines alten Passats knirschte, als er den vierten Gang einlegte und auf die mittlere Spur wechselte. Er versuchte, nicht an die lautlose, glatte Automatik seines Audis zurückzudenken.
     
    Sein Finanzverwalter hatte hinterher gesagt, es habe schon ganz schön was dazugehört, eine derart spektakuläre Bruchlandung hinzulegen, während sich der Rest des Marktes in rasantem Aufstieg befand. Sein kompliziertes Empire aus Hypotheken, Bauprojekten und Mietimmobilien war zusammengeklappt wie ein Kartenhaus. Er hatte eine nicht erstattungsfähige Anzahlung auf ein Anwesen mit acht Schlafzimmern in Highgate geleistet, um den anderen Bauspekulanten zuvorzukommen, die das Objekt ebenfalls umkreisten. Dann war der Verkauf eines bereits fertig gestellten Hauses in Chelsea geplatzt, und er war gezwungen gewesen, sich den Rest der Anzahlung zu borgen. Kurz vorm Abschluss des Highgate-Deals waren dann zwei weitere Geschäfte geplatzt. Er hatte daraufhin mehrere Hypotheken auf Objekte aufnehmen müssen, die ihm bereits gehörten. Nie würde er vergessen, wie er nächtelang im Büro gesessen und mit Zahlen jongliert, Zinsdarlehen gegen Bankkredite abgewogen hatte. Es war alles langsam in sich zusammengefallen. Wachsende Zinskosten hatten den Gewinn aufgefressen. Und was er für eine uneinnehmbare Festung aus Immobilienzinseinnahmen gehalten hatte, verwandelte sich innerhalb atemberaubend kurzer Zeit in einen finanziellen Trümmerhaufen.
    Selbst sein eigenes Haus war nicht verschont geblieben. Diana war gerade mit dem Einrichten des Kinderzimmers fertig geworden – für Kinder, die sie noch gar nicht hatten -, als er ihr die bittere Wahrheit eröffnete. Sie hatte ihr goldblondes Haupt gehoben und gesagt: »Dafür habe ich nicht
unterschrieben, Nicholas. Nicht, um mit dir in den Bankrott zu gehen.«
    Wenn er damals schon richtig hingehört hätte, dann wäre ihm sofort klar gewesen, dass dies das Ende ihrer Ehe bedeutete.
    Aber er schlug sich wacker, alles in allem. Es war ihm gelungen, der Insolvenzerklärung um Haaresbreite zu entgehen. Und jetzt, vier Jahre später, hatte er die großen Schulden allesamt abbezahlt. An manchen Tagen konnte er sich sogar einreden, dass es jetzt wieder aufwärts ging. Neulich hatte er zu seiner Überraschung einen Kontoauszug bekommen, in dem nur noch schwarze Zahlen standen und keine roten mehr. Aber die Statussymbole

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