Der Klang des Herzens
Frühstücksgeschirr, kümmerte sich um die Post und überlegte, was sie den Kindern zum Essen kochen sollte. Anschließend versuchte sie gewöhnlich, die endlose Serie von staubigen und schmutzigen Fußspuren, die sich durchs ganze Haus zogen, wegzusaugen oder zu wischen.
Sie machte Matt – und wem immer er dabeihatte – die erste von zahllosen Tassen Tee und versuchte, ein Dutzend Fragen zu beantworten, die ihr nie in den Sinn gekommen wären: Wo sie die neuen Lichtschalter hinhaben wolle? Welche Anschlüsse sie bevorzuge? Wie breit sie diese Öffnung haben wolle? Nie hatte sie sich mehr gelangweilt. Mittlerweile wusste sie Marys Arbeit erst richtig zu schätzen. Was die Gute alles in ihrer unauffälligen Art geleistet hatte, während sie, Isabel, in ihre Musik vertieft gewesen war! Und währenddessen wartete sie ungeduldig auf ein stilles Stündchen, in dem sie sich
zum Geige spielen zurückziehen konnte, in dem sie sich den Kopf frei machen und mehr sein konnte als die Putzfrau, Köchin und Teekellnerin, die aus ihr geworden zu sein schien.
Ihren Kindern gefiel diese neue Mutter vermutlich ganz gut. Sie konnte mittlerweile mehrere Gerichte ganz passabel kochen, hatte den Ostflügel so weit hergerichtet, dass er einen Anflug von Gemütlichkeit besaß – zumindest die Räume, die nicht mit Plastikplanen verhüllt und eingerüstet waren. Sie half, wo sie konnte, bei den Hausaufgaben. Sie war immer da, die ganze Zeit.
Was sie jedoch am meisten hasste – und das war ihren Kindern wohl nicht bewusst -, war das Nie-enden-Wollende an diesen Arbeiten. Kaum war etwas geputzt, wurde es schon wieder schmutzig. Und der Wäscheberg wollte einfach nicht kleiner werden; selbst kaum getragene Kleidung fand ihren Weg in den Korb. Dann schrie sie Kitty und Thierry an und hasste sich für ihre schrille Stimme. Einmal war sie so dermaßen vom Wäscheaufhängen angeödet gewesen, dass sie einfach den Korb fallen gelassen hatte und zum See gegangen war. Nur ihre Schuhe hatte sie ausgezogen. Das Wasser war so eisig gewesen, dass sie lachend nach Luft geschnappt hatte, aus reiner Freude daran, überhaupt wieder etwas zu fühlen. Matt hatte mit seinem Sohn auf dem Gerüst gestanden, und beide hatten verblüfft zu ihr heruntergeschaut.
»Ist das Ihre Art, mir zu verstehen zu geben, dass ich mit dem Bad vorankommen soll?«, hatte er witzelnd heruntergerufen, und sie hatte mit klappernden Zähnen genickt.
Manchmal fragte sie sich, was Laurent wohl sagen würde, wenn er sähe, wie sie in Gummihandschuhen eine Pfanne schrubbte, in der Angebranntes von ihren letzten kulinarischen Experimenten klebte. Oder wenn er sie schwitzend und fluchend den antiken Rasenmäher übers lange Gras schieben sähe, um im Garten wenigstens den Anschein von Ordnung zu erwecken. Manchmal stellte sie sich vor, wie er
mit einem amüsierten Lächeln in einem Sessel saß und sagte: » Alors, chérie! Mais qu’est-ce que c’est? «
Aber all das war nichts gegen den wachsenden Berg von Problemen, der durch Matts Bemühungen verursacht wurde. Jedes Mal, wenn sie ihm über den Weg lief, schien er mit dem Stift in irgendeinem verrotteten Stück Holz zu bohren oder einen rostigen Belag prüfend zwischen Daumen und Zeigefinger zu reiben. Das Haus war in noch schlechterem Zustand, als sie angenommen hatte.
Jeder Tag brachte eine neue unangenehme Überraschung: wurmstichige Balken, leckende Rohrleitungen, eine undichte Stelle im Dach. Zögernd eröffnete Matt ihr dann jedes Mal das Problem, fügte aber sofort hinzu: »Das kriegen wir schon hin.« Für ihn schien jedes Problem lösbar zu sein; er wirkte so tüchtig, so unerschütterlich. Es gäbe nur sehr wenig, was er in seinem Leben nicht gesehen hätte, versicherte er ihr, und noch weniger, das sich nicht richten ließe. Sie hatte ihm bis jetzt fast die Hälfte ihrer Ersparnisse für Baumaterialien ausgehändigt. Das Holz, die Kabel, die Isolierplatten und die Schindeln, das alles lagerte in sauberen Stapeln in den Außengebäuden. Daneben türmten sich Berge aus Bauschutt. Sie kam sich fast vor, als lebte sie in einem Baustoffhandel.
Er hatte sie gewarnt, dass sie wahrscheinlich monatelang im Haus zu tun haben würden. »Wir versuchen, Ihnen so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen«, hatte er ihr versprochen, aber schon eine Woche später war ihr klargeworden, dass das unmöglich war. Der Mörtelstaub drang überallhin, in jedes Zimmer, aber, was noch schlimmer war, auch in jede Körperöffnung. Kittys Augen
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