Der Klang des Herzens
Bäume hinaus aufs Feld. Er hatte sie eigentlich später holen und die größeren zu Feuerholz zersägen und für den Winter lagern wollen. Aber das hatte nicht viel Sinn, da er ja nicht wusste, wo er dann wohnen würde.
Er dachte an die Holzdielen, die sie aus dem Spanischen Haus herausgerissen hatten und die sich nun neben der großen
Scheune türmten. Das Meiste davon war, soweit er es beurteilen konnte, trocken und völlig in Ordnung gewesen. Aber er hatte seine Lektion gelernt und hütete sich, Matt noch mal zu kritisieren.
»Wirf sie hierhin«, befahl er und deutete auf den Haufen. Der Junge schleifte einen Schössling durchs hohe Gras am Feldrand und ließ ihn ächzend auf den Haufen fallen.
»Willst du mir noch ein bisschen helfen?«
Der Junge schaute ihn unter dunklen Wimpern ernst an. Er nickte.
»Wie heißt du?«
Der Junge schaute auf seine Füße. Elsie schnüffelte an seinen Turnschuhen, und er blickte zu Byron auf, wie um sich zu vergewissern, dass es in Ordnung war, den Hund zu streicheln. Dann beugte er sich vor und rubbelte Elsie den Kopf. Elsie warf sich auf den Rücken und zeigte schamlos ihren rosa Bauch. »Thierry«, sagte er so leise, dass Byron es kaum hören konnte.
»Magst du Hunde, Thierry?«, fragte er betont gelassen.
Der Junge nickte schüchtern. Elsie grinste ihn auf dem Rücken liegend an. Dabei hing ihr die Zunge seitlich aus dem Maul.
Byron hatte den Jungen ein paar Mal im Haus gesehen, doch selbst dort war er nur ein blasser Schatten, verbrachte seine Zeit zusammengesunken vor irgendeinem Computerspiel. Er wusste selbst nicht so recht, warum er ihn angesprochen hatte. Er war normalerweise lieber allein.
»Wenn du mir noch ein bisschen mit denen da hilfst, frage ich deine Mutter nachher, ob du dir unsere neuen Welpen anschauen darfst. Na, wie wäre das?«
Das Strahlen des Jungen traf ihn völlig überraschend, und er bekam sofort ein unbehagliches Gefühl. Worauf hatte er sich da eigentlich eingelassen? Er war sich nicht sicher, ob er wirklich für so viel Glück verantwortlich sein wollte.
»Hell wie der neue, neue Tag.« Das waren Thierrys letzte zusammenhängende Worte gewesen. Mit lauter, klarer, glockenheller Jungenstimme hatte er sein Gedicht vorgetragen und die letzte Zeile mit einem Lächeln beendet. Er hatte einen Preis dafür gewonnen, hatte es den Eltern bei einer Schulveranstaltung vorgetragen. Und Isabel, die zur Abwechslung mal nicht von ihrem Orchester in Anspruch genommen gewesen war, hatte im Saal gesessen und wie verrückt geklatscht. Gelegentlich hatte sie einen Blick auf den leeren Plastikstuhl neben sich geworfen und sich gefragt, wo Laurent blieb. Er hatte hoch und heilig geschworen, auf jeden Fall zu kommen. Aber sie war nicht verärgert wie die anderen Mütter, deren Ehemänner nicht erschienen waren. Sie freute sich, einmal diejenige zu sein, die gekommen war, während sonst gewöhnlich nur er zu Schulveranstaltungen mitging.
»Er war sehr gut, nicht?«, sagte Mary, die auf ihrer anderen Seite saß, leise. In der Stuhlreihe vor ihnen drehte sich eine Mutter um und strahlte sie an.
»Einfach perfekt«, grinste Isabel. »Wunderbar.«
Als Thierry von der Bühne ging, fing sie seinen Blick auf. Er hatte ihr schüchtern zugewinkt und versucht, sich seinen Stolz nicht zu sehr anmerken zu lassen. Sie hatte überlegt, ob sie aufstehen und zu ihm hinter die Bühne gehen sollte, wollte dann aber die anderen Schüler, die ihre Auftritte noch vor sich hatten, nicht stören. Sie wusste selbst am besten, wie lästig es war, wenn ein Einzelner aufstand, um einen vollen Saal zu verlassen. Also war sie sitzen geblieben. Das bereute sie bis heute. Wäre sie doch bloß zu ihm gegangen und hätte ihn noch einmal das Gedicht aufsagen hören, das er tausendmal geübt hatte, mit seiner glockenreinen, sorglosen, achtjährigen Stimme, den Kopf voller Schuljungensorgen, Star Wars , Süßigkeiten und dem bevorstehenden Übernachtungsbesuch seines besten Freundes, den er sehnsüchtig erwartete. Wäre sie doch vor der Polizei bei ihm gewesen. Er hatte ihr zuvor
zugeflüstert, dass er sie lieb hatte, aber so, dass seine Freunde es nicht hören konnten. »Hell wie der neue, neue Tag.« Diese Stimme. Anstatt der wenigen, niederschmetternden Worte des ernsten Polizeibeamten. Ja , hatte sie gesagt und Thierrys Schulter umklammert, als würde ihr Körper bereits wissen, was ihr Verstand noch leugnete, ich bin Mrs Isabel Delancey. Was für ein Unfall?
»Entschuldigen Sie –
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