Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Klang des Herzens

Titel: Der Klang des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
Vom Netzwerk:
waren ganz rot, und Isabel musste dauernd niesen. Lebensmittel mussten zu allen Zeiten zugedeckt werden. Es kam regelmäßig vor, dass Isabel einen Raum betrat und dort plötzlich keinen Bodenbelag mehr vorfand oder keine Tür, die dann gewöhnlich irgendwo ausgehängt lehnte. »Wenigstens passiert was, Mum«, versuchte Kitty sie zu
trösten. »Und es bedeutet, dass wir am Ende ein schönes Zuhause haben werden.«
    Daran versuchte Isabel zu denken, wann immer sie sich in der Baustelle umsah, in der sie wohnten. Die erschreckende Vorstellung, dass ihr auf halbem Wege das Geld ausgehen könnte, versuchte sie zu verdrängen.
     
    Isabel saß mit untergeschlagenen Beinen auf dem Sofa und blätterte in einer Schachtel mit Rechnungen und Kontoauszügen. Gelegentlich hielt sie stirnrunzelnd zwei Blätter hoch, als ob sie sie vergleichen wollte, nur um sie sogleich verzweifelt sinken zu lassen. Kitty, die mit ihren Hausaufgaben kämpfte, versuchte, sich nicht davon ablenken zu lassen. Thierry saß im Fernsehsessel und spielte reglos ein Computerspiel. Nur seine Daumen bewegten sich. Mr Granger war unten in der Küche und erneuerte die Verkleidung eines Rauchfangs. Über ihnen waren Matt, Byron und Anthony mit irgendetwas Gigantischem beschäftigt, denn ihr Bohren ließ das ganze Haus erzittern. Mörtelstaub kam in Wolken herabgeweht wie der finstere Atem einer dämonischen Kreatur. Und währenddessen regnete es unaufhörlich, und der Himmel hing grau und drückend über dem Land und verstärkte die graue und drückende Stimmung im Haus. Mehrere Eimer standen in der Diele und in einem der Schlafzimmer, in die monoton Wasser tropfte, ein melancholisch, depressiv machendes Geräusch.
    »Mann!«, rief Isabel aus und schob die Schachtel von sich. »Ich kann keine Zahlen mehr sehen! Wie hat euer Vater das bloß geschafft, tagaus, tagein? Ich begreife es nicht.«
    »Ich wünschte, er könnte mir mit Mathe helfen«, sagte Kitty wehmütig. »Ich kapier’s einfach nicht.«
    Isabel streckte sich und schaute ihrer Tochter über die Schulter. »Oh, Schätzchen, tut mir leid, aber das ist mir zu hoch. Dein Daddy war derjenige in der Familie, der Hirn im Kopf hatte.«

    Sie schwiegen. Thierry stand auf und schlug mit den Fäusten auf die schweren Vorhänge ein, dass es nur so staubte.
    »Lass das, T«, befahl Kitty gereizt.
    Thierry haute nur noch fester zu und wirbelte dicke weiße Staubwolken auf.
    »Mum!« Kitty verzog das Gesicht.
    Und als Isabel nichts tat: »Mum! Schau, was er macht!«
    Ihre Mutter ging zu ihm und strich mit einer weißen Hand über sein Haar. Sie schaute an den Vorhängen hinauf und sagte: »Die sind furchtbar, oder? Man sollte sie wirklich mal gründlich ausschütteln. Den schlimmsten Staub rausklopfen.«
    »Aber nicht jetzt«, beschwerte sich Kitty, aber es war bereits zu spät. Ihre Mutter begann die Vorhänge heftig zu schütteln. Mächtige Staubwolken wallten auf, und Thierry musste husten.
    »Keine Sorge«, sagte Isabel, während sie die Vorhänge ausschwang. »Ich werde nachher staubsaugen.«
    »Mum, wie kannst du …?«, keuchte Kitty, doch da ertönte ein lautes Knarren, und die schweren Vorhänge stürzten mitsamt der Stange und einem ganzen Stück Wand zu Boden. Pflasterbrocken flogen, es staubte, und ihre Mutter hatte instinktiv die Arme über den Kopf geworfen. Nach einer kurzen, geschockten Stille, in der Kitty die riesigen Löcher in der Wand anstarrte, wo jetzt der Ziegel hervorschaute, begann Isabel zu kichern.
    »Ach, Mum … Was hast du bloß angerichtet?« Kitty trat näher, um die Verheerung in Augenschein zu nehmen.
    Isabel schüttelte sich Gipsstaub aus den Haaren. »Ach, sie waren scheußlich.«
    »Ja, aber wenigstens waren’s Vorhänge. Jetzt haben wir keine mehr.«
    Ihre Mutter konnte manchmal richtig nervtötend sein. Jetzt ging sie zum CD-Player. »Ist mir egal, Kitty. Es sind
doch bloß Vorhänge. Seit heute früh habe ich mit nichts anderem zu tun als mit blöden Vorhängen, Rechnungen und Hausarbeit. Mir reicht’s. Kommt, machen wir uns ein bisschen Musik.«
    Über ihnen hatte das Gehämmer aufgehört. O nein, dachte Kitty, bitte nicht jetzt. Nicht, wenn Anthony da ist. »Mum, ich muss Hausaufgaben machen.«
    »Aber du musst auch Spaß haben. Ich helfe dir nachher bei den Hausaufgaben, soweit ich kann. Komm, Thierry, bring mir einen Vorhang. Zieh ihn von der Stange. Ich weiß genau, was wir damit machen können.«
    Ihre Mutter trat von der Stereoanlage zurück, und Kitty hörte die

Weitere Kostenlose Bücher