Der Klang des Herzens
wenig umzugestalten, um sich von dem Verlust des Spanischen Hauses abzulenken. Aber irgendwie war ihr der Spaß an der Sache vergangen. Die Wände waren die alten Wände, und die neuen Vorhänge würden nicht an den großen Erkerfenstern des Schlafzimmers im Spanischen Haus hängen, von dem aus man einen herrlichen Blick auf den See hatte.
Sie hatte sich dieses Haus so sehr gewünscht. Matt gegenüber hatte sie nichts gesagt, weil sie seine schlechte Laune nicht noch hatte verschlimmern wollen, aber sie fühlte sich betrogen, bestohlen. Als hätte sich ein Hausbesetzer dort eingenistet
– in dem Haus, das ihrer Familie zustand. Sie neigte nicht zum Melodramatischen, aber ihr kam es fast vor, als habe sie ein Kind verloren. Und vor den anderen Frauen neulich so tun zu müssen, als mache es ihr nichts aus, war furchtbar schwer gewesen. Sie hatte so viele Pläne gemacht, hatte jeden Raum durchdacht, alles visualisiert. Es wäre so schön geworden. Ein Schmuckstück. Dennoch war es nicht so sehr das Haus, um das sie trauerte, sondern um das, was ihre Familie dort hätte sein können.
Laura drückte seufzend den Deckel auf die kleine Farbdose, den Blick auf die bunten Quadrate an der Schlafzimmerwand gerichtet, während sie auf das ferne Hämmern lauschte, das Matts Arbeitstag markierte. Er war seit Wochen guter Laune, aber auch irgendwie abwesend, als sei er mit den Gedanken permanent woanders. Heute früh hatte er ihr einen Scheck von der Delancey überreicht und scherzhaft gesagt, sie solle ihn schnell einlösen, bevor er platzte. Sie hoffte, dass es diese Sache war, über die er sich so freute, und nicht etwas anderes.
Die Frau war so seltsam, so verletzlich. Es war offensichtlich, dass sie keine Ahnung vom Landleben hatte oder von der Sanierung eines Hauses. In Gesellschaft anderer wirkte sie linkisch, schien sich nicht mal richtig unterhalten zu können. Wie ein Fisch auf dem Trockenen hatte sie in ihren komischen Sachen in Lauras Wohnzimmer gestanden, und Laura war angesichts der Fehler, die die Frau machte, leichter ums Herz geworden. Dennoch konnte sie nicht umhin, sich vorzustellen, wie es wohl für sie sein mochte, ganz allein mit zwei Kindern in diesem baufälligen Haus. Sie wirkte verloren, aber auch eigenartig wild und trotzig, als würde die kleinste falsche Bemerkung eine heftige Angriffsreaktion hervorrufen. Für die Vettern war sie ein »frischer Wind« im Dorf, aber die beiden waren zu allen nett, selbst wenn sie es, wie sie vermutete, gar nicht so meinten. In letzter Zeit sah Laura Asads
dunkle Augen seltsam wissend auf sich gerichtet, wenn sie den Laden betrat, als wolle er ihr sagen, er wisse über Matt Bescheid, und dann fühlte sie sich sehr unbehaglich. Er lächelte auf so eigenartig freundlich-mitleidige Weise. Vielleicht sah er sie ja genauso, wie sie selber Isabel Delancey bei dem Kaffeeklatsch gesehen hatte. Matt hatte seine Frau mehrmals gedrängt, doch rüberzugehen und sie zu besuchen, aber damit hatte er jetzt aufgehört. Vielleicht hatte er ja gemerkt, wie unangenehm ihr das war. Laura hielt es für besser, Distanz zu wahren. Verstellung lag ihr nicht, das lag nicht in ihrer Natur. Was sollte sie sagen, wenn Mrs Delancey sie nach ihrer ehrlichen Meinung zum Haus fragen würde?
Aus dem Spanischen Haus drangen ein Ächzen und dann ein lautes Krachen. Sie fragte sich, was Matt dort anstellte. Er sagte, es würde am Ende ihnen gehören. Das war alles, was sie interessieren musste. Diese Frau passte nicht in dieses Haus, passte nicht hierher. Und es war alles erlaubt, in der Liebe wie im Krieg. Und bei Bausanierungen.
Laura McCarthy zog den Vorhang zurecht. Auf sie wartete ein Berg Bügelwäsche. Ruby, ihre Reinigungskraft, schaffte es einfach nicht, die Hemden so zu bügeln, wie Matt sie mochte.
ZEHN
A us dem Frühling wurde allmählich Sommer, und Isabel fand sich zunehmend in einer Alltagsroutine gefangen, die sie noch vor einiger Zeit für unmöglich gehalten hätte. Aber ihr derzeitiges Leben war ohnehin alles andere als etwas, das sie sich je hätte vorstellen können. Jeden Morgen schickte sie die Kinder über den Waldweg zum Schulbus. Nachdem sie sich mit einer Tasse Kaffee gestärkt hatte, ging sie ans Bettenmachen, suchte auch unter den Betten nach verstreuten Schuhen oder Kleidungsstücken, dann brachte sie einen Korb Wäsche in die Küche hinunter, wo die neue Waschmaschine stand. Wenn es das Wetter erlaubte, hängte sie die Wäsche zum Trocknen nach draußen, spülte das
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