Der Klang des Herzens
Tür.«
Isabel starrte das tote Tier an. Sie war kreidebleich.
»Beruhigen Sie sich, Missus. Ist ja nichts passiert«, sagte Mr Granger beschwichtigend. »Ich mach das für Sie weg. Hier, Junge, gib mir mal die Zeitung da. Kommen Sie, Mrs Delancey, jetzt setzen Sie sich erst mal hin und trinken eine schöne Tasse Tee. Sie haben einen Heidenschreck gekriegt. Hier wird’s nie langweilig, was?«
»Einstürzende Decken, Ratten, Waffen? Was ist das hier?«, stieß Isabel fassungslos hervor. »Was hab ich bloß getan?«
Und dann, während Kitty dastand, schwer atmend vom Tanzen, machte ihre Mutter auf dem Absatz kehrt und ging wie eine Schlafwandlerin davon, ihre Geige fest an sich gedrückt.
An diesem Abend war die Musik wild und zornig, schrill schallten die Töne übers Wasser. Keine getragene, melancholische Melodie wie sonst.
Kitty lag im Bett und lauschte. Sie wusste, dass sie hätte zu ihrer Mutter hinaufgehen und sie beruhigen sollen, aber irgendwie ging ihr das mit Byron und der blöden Ratte am Dings vorbei. Sie konnte nicht aufhören, an Anthony zu denken, wie er mit dem roten Vorhang den Torero gespielt hatte,
wie er sie angegrinst hatte, als ob er ihre Familie cool fand und überhaupt nicht verrückt. Zum ersten Mal war Kitty beinahe froh, hier zu sein.
Henry und Asad gingen Arm in Arm nach Hause und lauschten den letzten zornigen Noten.
»PMS«, bemerkte Henry weise.
»Ich dachte, sie wäre beim CSO gewesen«, sagte Asad.
Auf der anderen Seite des Wäldchens war Laura McCarthy gerade mit dem Abwasch fertig. »Diese Katzenmusik«, beschwerte sie sich, während sie sich die Hände an einem Geschirrtuch abtrocknete, »die treibt mich noch in den Wahnsinn. Warum schluckt der Wald diese Geräusche nicht? Er schluckt doch sonst alles.«
»Hättest sie vorher hören sollen«, bemerkte Matt, der schon den ganzen Abend über prächtige Laune hatte. Nicht einmal, als sie ihm gebeichtet hatte, dass ihr Wagen zwei neue Reifen brauchte, hatte das seiner guten Stimmung etwas anhaben können. »So was hab ich noch nie erlebt. Du, Ant?«
Anthony, die Augen auf den Fernseher geheftet, stieß einen unbestimmten Laut aus.
»Was meinst du?«, fragte Laura.
Matt machte sich zischend eine Dose Bier auf. »Die ist völlig irre, komplett tütü. Bis Weihnachten gehört das Haus uns, Laura, glaub mir. Bis Weihnachten. Allerspätestens.«
ELF
E s gibt kaum einen schöneren Anblick als Norfolk im Frühsommer, dachte Nicholas, während er die letzten Meilen nach Little Barton zurücklegte, vorbei an malerischen Stein-Cottages, an hohen Fichten, deren einziges Grün sich an den Kronen befand, hoch oben auf spindeldürren Stämmen.
Zugegeben, wenn man die unschöne Gegend von Nordost-London hinter sich gelassen hat, erscheint einem im Vergleich dazu alles malerisch und grün. Aber heute, nachdem er die Kläranlagen, Industriegebiete und Strommasten hinter sich gelassen hatte, kamen ihm die üppig wuchernden Hecken und das frische Grün der Böschungen fast unerträglich intensiv vor. Ein Symbolismus, der nicht spurlos an Nicholas Trent vorüberging.
Er hatte sich bei der Bank nach Darlehen erkundigt, und man hatte sich bereiterklärt, sein Projekt bis zu einem gewissen Punkt zu finanzieren, wollte aber zuvor Einsicht in die Pläne nehmen. »Schön, Sie wiederzusehen«, hatte Richard Winters gesagt und ihm auf den Rücken geklopft. »Einen guten Mann kann so schnell nichts unterkriegen, was?«
Er hielt sich wiederholt vor, dass die Frau vielleicht gar nicht würde verkaufen wollen. Dass es genügend andere Orte gab, an denen er seine Pläne genauso gut verwirklichen konnte. Aber wenn er die Augen zumachte, sah er das Spanische Haus und dessen Umgebung vor sich. Er sah das wunderschöne Tal, umgeben von einer Landschaft wie aus dem Bilderbuch.
Und obwohl er wusste, dass ihn daheim in London ein kleineres Bauprojekt auf einer Baustelle irgendwo in der Innenstadt
erwartete, war er nun – schon zum dritten Mal in diesem Monat – auf dem Weg nach Little Barton. Um noch einmal wie zufällig auf diesen Ort zu stoßen, der ihn nicht mehr losließ, den er in seinen Träumen in Hochglanzbroschüren vor sich sah.
Am Arbeitsplatz hatte er kein Wort gesagt. Er kam jeden Tag pünktlich und erledigte gewissenhaft und höflich seine Pflicht, schlug sich mit den immer gleichen gestressten Kunden herum, den immer gleichen, nicht nachvollziehbaren Rückziehern in letzter Sekunde, denselben kollabierenden Deals und nicht
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