Der Klang des Herzens
besonders schwierige Zeit für den Asthmatiker Asad.
»Ich denke«, sagte Henry, »es wäre besser, wenn du dich deswegen nicht zu sehr aufregen würdest.«
»Und ich denke«, wiedersprach Asad gepresst, »es wird Zeit, dass mal endlich jemand diesem Matt McCarthy die Stirn bietet.«
In diesem Moment ging bimmelnd die Tür auf, und ein Mann trat über die Schwelle. Mittleres Alter, Mittelschicht, guter Anzug, dachte Henry. Ein Durchreisender wahrscheinlich. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Äh … noch nicht, danke.« Er trat an die Frischtheke. »Ich wollte mir etwas zum Lunch besorgen.«
»Nun, da können wir Ihnen ganz gewiss behilflich sein«, versicherte ihm Henry. »Wenn Sie sich entschieden haben, sagen Sie mir Bescheid.«
Er ließ den Mann in Ruhe und ging zu Asad, der sich nun, da das Gemüse perfekt angeordnet war, an den Regalen zu schaffen machte.
»Der Dosenfisch muss nicht unbedingt alphabetisch geordnet sein«, flüsterte Henry.
Asad antwortete ebenso leise: »Diese Sache macht mir zu schaffen, Henry. Sie bedrückt mich.«
»Aber das alles geht uns nichts an. Und das weiße Krabbenfleisch sollte neben den Sardinen stehen.«
»Kitty kommt jeden Tag hier rein und erzählt uns, dass er diese Wand eingerissen hat und jene Decke runtergestürzt ist. Und Mrs Delancey ist ganz blass vor lauter Sorge ums Geld.«
»Renovierungsarbeiten machen nun mal Arbeit und Sorgen. Und sie sind teuer. Du weißt doch noch, wie’s bei uns war, als wir uns die neue Küche haben reinmachen lassen.«
»Aber dieses Haus ist fünfzig Jahre ohne Renovierung ausgekommen.«
»Das ist es ja«, murmelte Henry. »Deshalb muss ja jetzt wahrscheinlich so viel eingerissen werden.«
»Sie weiß nichts über Häuser und Renovierungen. Sie weiß gar nichts. Außer über Musik. Und sie trauert noch immer um ihren toten Mann. Er nutzt das schamlos aus.« Er hatte sich in Rage geredet und daher lauter gesprochen als beabsichtigt.
»Aber wir wissen doch gar nicht, was an dem Haus gemacht gehört und was nicht. Du hast es selbst gesagt: Es ist fünfzig Jahre lang nichts mehr dran gemacht worden. Wer kann schon wissen, worauf Matt McCarthy gestoßen ist?«
Asad biss die Zähne zusammen. »Jeder andere Baufachmann,
Henry, jeder andere und ich wären bereit zu glauben, dass dieses Haus so viel Investitionen und derart drastische Maßnahmen braucht.« Er stellte eine Dose kalifornische Sardinen ins Regal.
Der Kunde begutachtete den Brotkorb.
»Aber sag mir eins, Henry, ganz ehrlich: Glaubst du nicht auch, tief in deinem Herzen, dass Matt McCarthy das bloß macht, weil er das Haus in die Finger kriegen will? Aus Rache?«
Henry schaute auf seine Füße.
»Und?«
»Ich weiß nicht, Asad. Ich traue ihm genauso wenig wie du, aber das alles geht uns nichts an. Wenn wir uns einmischen würden, dann käme nichts Gutes dabei raus, glaub mir.«
In diesem Moment tauchte der Kunde neben Asad auf, und die beiden verstummten abrupt. Er schenkte ihnen ein höfliches Lächeln. »Bitte entschuldigen Sie, dass ich unterbreche, aber könnte ich vielleicht eine Vollkornsemmel mit diesem Ziegenkäse dort haben?«
Henry flitzte hinter die Theke. »Selbstverständlich. Möchten Sie vielleicht noch ein paar Strauchtomaten dazu? Die sind im Moment einfach köstlich.«
Nicholas Trent verließ mit einer braunen Papiertüte in der Hand den Laden, aber Hunger hatte er keinen mehr. Er warf die Tüte auf den Beifahrersitz und ließ den Wagen an. Sein Kopf schwirrte, sein Magen krampfte sich vor Nervosität zusammen. Langsam fuhr er aus dem Dorf hinaus und hielt Ausschau nach dem Schild mit dem Hinweis auf die Schweinefarm und der schmalen Abzweigung gegenüber, die zum Spanischen Haus führte.
»Eine Frühlingssinfonie«. Ein ansprechendes Arrangement aus Freesien, Narzissen und Hyazinthen, erhältlich in Weiß, Mauve oder Himmelblau. Als Strauß, handgestecktes Arrangement
oder, gegen Aufpreis, in einer Glasvase. Ab dreißig Pfund, zuzüglich Liefergebühr. Laura hatte es im Internet nachgeschlagen. Blumen für den Spätfrühling. Blumen, die das Herz erfreuen. Als Dankeschön. Oder um zu sagen: Ich denke an dich. Oder gar: Ich liebe dich.
Blumen, die sie nicht erhalten hatte.
Blumen, die Matt letzten Monat mit seiner Kreditkarte bezahlt hatte.
Den Auszug hatte sie natürlich nicht zu Gesicht bekommen. Matt hatte längst gelernt, seine Kreditkartenauszüge nicht mehr herumliegen zu lassen, und sie wusste, dass er alles, was sie nicht sehen
Weitere Kostenlose Bücher