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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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immer größerer Geschwindigkeit unaufhaltsam höher über den Bug und leckte fast schon an der Brücke. Wie schwarzes Öl kroch es auf ihn zu und verschlang Meter um Meter des Schiffes. Nur der Bugmast ragte noch weit aus dem Wasser, während das Topplicht an ihm einen schemenhaften Lichtschein verbreitete.
    Noch immer wurde aus den Überdruckventilen unter Dröhnen und Zischen Dampf abgelassen. Die Lichter brannten hell und über den Lärm des Schiffes und der immer lauter werdenden Menschen an Deck hinweg glaubte Adam die Fetzen eines Musikstückes zu hören. Spielte das Orchester immer noch Ragtime?
    Verwundert schüttelte Adam den Kopf, ehe er sich mit verbissenem Gesichtsausdruck weiter an dem zweiten Engelhardt-Halbklappboot zu schaffen machte. Mithilfe dieses Floßes konnten sie noch ein paar Leben retten. Vielleicht das einiger Kinder? Mehrere Matrosen, Offiziere und auch Passagiere halfen ihm, doch aufgrund der nun extremen Schräglage der Titanic gelang es ihnen nicht mehr, das Rettungsboot aus seiner Vertäuung zu lösen.
    Ohne Vorwarnung schwappte plötzlich eine gewaltige Wasserwoge über Adam hinweg. Er versuchte noch, nach einem Befestigungsseil des Bootes zu greifen, doch er verfehlte es und wurde erbarmungslos von Bord gespült.
    Das Wasser wirbelte ihn im Kreis herum, und obwohl er kräftig schwamm, zog der abtauchende Liner ihn unaufhaltsam mit in die Tiefe. Dann brach die Sogwirkung ganz plötzlich ab. Adams Gehirn arbeitete angestrengt. Er war mit den Beinen voran nach unten gezogen worden. Demnach musste die Wasseroberfläche über seinem Kopf liegen. Mit kräftigen Schwimmbewegungen arbeitete er sich nach oben und tatsächlich konnte er bald die hellen, vom schwarzen Wasser umspülten Lichter der Titanic über sich erkennen.
    Seine Lungen schmerzten. Der Wunsch, tief einzuatmen, wurde übermächtig. Adam wusste, bald würde er diesem Wunsch, dem Instinkt, Luft zu holen, nichts mehr entgegensetzen können. Daraufhin würden sich seine Lungen mit dem eiskalten, salzigen Wasser füllen.
    Seine Arme durchbrachen das Wasser, sein Kopf tauchte auf und im gleichen Moment holte er tief Luft. Jetzt erst reagierte sein Körper auf die eisige Temperatur des Wassers. Die Kälte lähmte seine Bewegungen. Aber es war nicht seine Art, so schnell aufzugeben. Immerhin hatte er ein kräftiges, junges Herz und einen durchtrainierten Körper.
    Gegen das von seinen Haaren in die Augen laufende Salzwasser anblinzelnd sah er sich um. Nur wenige Meter von ihm entfernt schwamm kieloben ein Rettungsboot. Es handelte sich um genau das Halbklappboot, das er eben noch versucht hatte loszubinden, ehe ihn das Wasser erfasst und mit sich gerissen hatte.
    Adam kraulte mit kraftvollen Bewegungen in Richtung des Floßes. Er hatte es beinahe erreicht, als hinter ihm ein gewaltiger Lärm einsetzte. Erschrocken wandte er sich um.
    Das Einzige, was er sah, war der im Licht der Sterne goldschimmernde vordere Kamin, der geradewegs auf ihn zu kippte. Mit gewaltigem Getöse schlug der Schlot nur wenige Meter von ihm entfernt auf die Wasseroberfläche. Eine aufschäumende Welle erfasste ihn und trug ihn mehrere Meter weit mit sich fort. Erneut wurde er unter Wasser gezogen und wieder kämpfte er gegen den Sog an.
    Als er, diesmal schneller, wieder nach oben kam, befand er sich nur ein paar Schwimmzüge von dem Halbklappboot entfernt, das noch immer mit dem Kiel nach oben im Wasser lag. Schnell schwamm er auf das Boot zu, an das sich bereits ein paar Männer klammerten und versuchten, sich hochzustemmen, um dem eiskalten Wasser zu entfliehen.
    Adam erreichte das Boot, ergriff den Rumpf und zog sich unter fast unmenschlicher Anstrengung und mit ebenso großer Willensstärke hinauf. Er klammerte sich an ein winziges Stück überstehende Planke und wandte den Kopf der Titanic zu.
    Das Heck ragte weit in die Höhe, und mit jedem Meter, den der Bug weiter versank, richtete sich das Schiff steiler auf. Die Menschen auf den Decks klammerten sich in Trauben aneinander und bemühten sich, dem drohenden, eiskalten Wasser so lange wie nur möglich zu entkommen. Sie wurden in immer größere Höhe hinaufgetragen.
    Nun verstummte das vom entweichenden Dampf verursachte, seit über einer Stunde anhaltende Getöse. Die darauf folgende Stille hielt nur wenige Sekunden an, dann drangen andere Geräusche zu Adam. Dumpfe Schläge ertönten, als sich die schweren, großen Maschinen im Bauch der Titanic aus ihren Verankerungen lösten. Dazwischen hörte Adam

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