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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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flüsterte leise in die wilde Lockenpracht hinein: „Geht es dir gut, Katie?“
    „Ja, Chloe. Jetzt ist alles wieder gut.“
    „Waren die Leute böse zu dir?“
    „Nur der Mann, der mich hier weggeholt hat, war nicht nett. Aber den habe ich, seit wir bei dem Haus waren, nicht mehr gesehen.“
    „Wurdest du gut versorgt?“
    „Ich habe viel mehr zu essen bekommen, als ich hier hab, Chloe. Und Sachen, die ich noch nie gegessen hab. Aber ich war die ganze Zeit alleine. Das war schlimm. Aber du hast mir einmal gesagt, Jesus wäre immer bei mir. Also hab ich die ganze Zeit mit ihm geredet. Er hat nicht viel gesagt, aber sich alles angehört. Und in der letzten Nacht hat er gesagt, dass ich bald heimdarf.“
    „Das hat er gesagt?“
    „Ja“, erklärte Katie und nickte heftig. Dann schlich sich ein fröhliches Lächeln auf ihr Gesicht und sie raunte: „Vielleicht hab ich das auch nur geträumt. Aber es hat gestimmt, nicht?“
    Katie löste sich von ihr und kuschelte sich wieder zu ihrem Bruder und ihrer Mutter. Ella legte den Arm um ihre Kinder, ihre Augen waren jedoch fragend auf Chloe gerichtet. „Was ist mit Norah? Wussten die Polizisten, wo sie ist, wie es ihr geht?“
    „Sie wussten nichts von Norah und nichts über die Pläne von Beckett für das Haus am Queen’s Square. Und sie weigerten sich auch, mich dorthin zu begleiten. Entweder ist da etwas ganz gewaltig schiefgegangen, oder Norah wurde absichtlich im Stich gelassen.“
    „Aber warum denn das? Und was sollen wir jetzt tun?“
    „Ich weiß keine Antworten, Ella. Ich werde hingehen müssen und nachsehen.“
    „Dann begleite ich dich.“
    „Nein, Ella. Du musst bei deinen Kindern bleiben. Du kannst Katie jetzt unmöglich alleinlassen.“

    Mit voller Wucht wurde Richard mit dem Rücken gegen eine Wand geschleudert, doch er fand an einem Türgriff Halt. Verzweifelt klammerte er sich fest. Das Wasser war eisig kalt und schmerzte wie Millionen Nadelstiche, und das Salz reizte seine Augen.
    Die erste Welle verschwand tobend in Richtung Heck, das nachfolgende Wasser floss mit einer kräftigen Strömung, aber mit deutlich weniger Wucht an ihm vorbei. Richard reckte prustend den Kopf über die Wasseroberfläche und atmete tief ein. An ihm vorbei trieb, mit dem Gesicht nach unten, ein lebloser Frauenkörper. Lange dunkle Haare wallten wie Seetang um den Kopf.
    Richard stand jetzt bis über die Hüften im stetig steigenden Wasser. Dieses schwemmte kleine Gegenstände, Koffer und Wäsche mit sich davon. Er sah sich um und stellte erleichtert fest, dass er sich vor einem der Personaltreppenhäuser befand. Es gelang ihm unter großer Anstrengung, die schmale Tür aufzustoßen. Sofort drängte das Wasser auch in das Treppenhaus. Im Eilschritt nahm er die Stufen in Angriff. Stockwerk um Stockwerk kämpfte er sich nach oben. Er wäre gern schneller gegangen, aber zur Neigung des Schiffes in Richtung Bug kam nun auch eine zunehmende Schräglage in Längsrichtung. Es kostete ihn große Anstrengung, sich einigermaßen zügig fortzubewegen und dabei das Gleichgewicht zu halten.
    Um ihn her ächzte und stöhnte der gewaltige eiserne Koloss. Plötzlich platzte direkt neben ihm mit einem grässlichen lauten Ratschen eine Wand auf. Ein tiefer, gezackter Riss, ähnlich einem vom Himmel niedersausenden Blitz, erstreckte sich über eine Länge von mehreren Metern.
    War das Schiff im Begriff, komplett auseinanderzubersten? Richard konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, da sich die Titanic von Sekunde zu Sekunde weiter neigte. Er fühlte sich in diesem gigantischen Koloss gefangen, allein und verloren. Aber er wollte, er durfte nicht aufgeben!
    Letztendlich erreichte er eine weitere Tür. Da das Wasser noch nicht bis zu diesem Absatz gestiegen war, ließ sie sich problemlos öffnen, und er fand sich auf dem A-Deck in der ersten Klasse wieder. Als er reichlich orientierungslos weiterlief, taumelte ihm ein Speisesaalsteward entgegen. Entweder kannte dieser alle seine Gäste sehr genau, oder er dachte sich seinen Teil, weil Richard als Passagier aus dem Personaltreppenhaus kam, denn er rief mit sich überschlagender Stimme: „Gehen Sie in Ihre Klasse zurück!“
    Einen kleinen Augenblick lang überlegte Richard, ob er dem Mann erklären sollte, unter welchen Umständen er hier gelandet war, doch er fand das angesichts der Situation, in der sie sich befanden, absolut lächerlich. Er ignorierte die Aufforderung des Mannes einfach, stieß ihn zur Seite und eilte an ihm

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