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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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und konzentrierte sich wieder auf die Polizisten.
    Zwei Automobile fuhren lärmend vorbei und ihnen folgte eine Dame auf einem Fahrrad. Norah wich zwei Schritte zur Seite aus, damit eine Frau mit zwei quengelnden Kleinkindern an ihr vorbeigehen konnte, die ebenfalls stehen blieb und aufmerksam das Polizeiaufgebot betrachtete.
    „Vielleicht müssen sie Gebäude der White Star Line oder der Harland & Woff -Werft schützen“, sprach die Frau ihre Vermutung in Norahs Richtung aus.
    Norah nickte lediglich. Auf diese einfache Erklärung für das Großaufgebot an Polizei war sie gar nicht gekommen. Für sie und ihre Freunde bedeutete dies, dass sie nur warten mussten, bis die Polizisten an ihren Einsatzort gebracht wurden.
    In diesem Augenblick sah sie Danny betont langsam die Straße wieder herunterschlendern. Sein verzerrtes, beinahe wütendes Gesicht ließ sie ihre vorherige Überlegung verwerfen, denn seine finstere Miene ließ erahnen, dass die Uniformierten, die direkt hinter ihm ebenfalls in ihre Richtung kamen, nach Chloe suchten!
    Norah zog ihr Taschentuch aus der Manteltasche und schüttelte es mit einer heftigen Bewegung aus. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie erleichtert, wie Chloe sich sofort umdrehte und zügig davonging.
    Was aber tat Danny? Aus welchem Grund winkte er ihr, versteckt vor seinem nicht gerade breiten Körper, so hektisch zu? Norah lächelte ihm beruhigend entgegen, denn Chloe war bereits in eine Seitenstraße abgebogen und damit den Blicken der Polizisten entzogen. Allerdings wurden Dannys Bewegungen daraufhin noch deutlicher und schneller. Meinte er etwa sie?
    Ohne eine weitere Verzögerung zu riskieren drehte Norah sich um und ging in eine völlig andere Richtung davon. Heiße Schauer liefen ihr über den Rücken. Warum sollte auch sie gesucht werden? Sie war schon bei Ryan gewesen, als die Morde geschahen. Niemand konnte sie während oder nach dem Vorfall in der Victoria Street gesehen haben.
    Zügig bog sie in eine schmalere Straße ein und warf dabei einen forschenden Blick zurück. Danny war Chloe gefolgt, und gerade verschwanden die letzten Polizisten ebenfalls aus ihrem Blickwinkel.
    Aufatmend lehnte Norah sich mit dem Rücken gegen den kalten Stein einer Hauswand und blickte in den wolkenverhangenen Himmel hinauf. Sie konnte sich Dannys Verhalten nicht erklären, und ihre Unwissenheit verstärkte in ihr das beunruhigende Gefühl, wie eine Maus in der Falle zu sitzen. Für einen Moment schloss sie die Augen und lauschte auf die vorbeihastenden Schritte der Passanten, die Rufe der Möwen und das entfernte Klingeln der Tram. Die Erinnerung an die gefährlichen Ereignisse der vergangenen Tage, besonders aber die Ungewissheit über den Verbleib der drei Männer drohten sie wie eine gewaltige Welle fortzuspülen. Noch ehe ihre Sorgen mehr Raum in ihren Gedanken einnahmen, rief sie sich selbst in die Gegenwart zurück.
    Am besten war es wohl, sie ging durch diese Seitenstraßen bis zum Haus von Chloes Verwandten, um dort mit Danny und Chloe zusammenzutreffen und eine Erklärung für sein Tun einzufordern.

    Die Dämmerung brach herein, und es wurde aufgrund des bewölkten Himmels sehr schnell dunkel. Viele Einwohner von Belfast strebten von der Arbeit nach Hause, und Norah mischte sich unauffällig unter sie. Unzählige Möwen kreisten an diesem Tag über der Stadt, wobei ihre heiseren Schreie in den Ohren der jungen Frau wie Hohngelächter klangen. Ihre Gedanken jagten schon wieder wild durcheinander. Sie drehten sich um Adam, Richard und Dylan, um Chloe und Danny und die anderen Bewohner der Gassen. Nach wie vor war unvorhersehbar, was im Hafenviertel geschehen würde, wenn die Polizei dort nach jemandem suchte. Sie konnte momentan nur dafür beten, dass die Situation nicht eskalierte.
    Ein paar Meter hinter ihr stieß ein Mann einen empörten Ruf aus. Aufgeschreckt wandte Norah den Kopf, ohne ihre Schritte zu verlangsamen. Zwei Männer waren zusammengestoßen. Derjenige von ihnen, der in dieselbe Richtung wie sie unterwegs war, wollte sich schnell an dem anderen Passanten vorbeidrücken, doch dieser hielt ihn wütend fest. Norah sah wieder nach vorn, fuhr aber sofort erneut herum, und diesmal blieb sie stehen.
    Sie kniff die Augen zusammen und versuchte, die Person im Dämmerlicht zu erkennen. Hatte sie sich getäuscht, oder handelte es sich bei dem Mann, der da festgehalten und beschimpft wurde, um Ben Beckett? War er es vorhin doch gewesen, den sie gesehen hatte? Was tat er dann jetzt

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