Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)
könnt. Aber zum einen ist das für euch und für sie gefährlich, wenn sie zu Mitwissern werden, und zum anderen kann ich euch beide offensichtlich keinen Augenblick aus den Augen lassen.“
Norah dachte an Beckett und fügte sich mit einem Nicken Dannys Vorschlag, was ihr einen verwunderten Blick von Chloe einbrachte.
„Was ist noch passiert?“, hakte Chloe misstrauisch nach, während auch sie in ihren Mantel schlüpfte.
„Ich wurde eben verfolgt. Dieser Mr Beckett.“
„Die schöne Helena!“, vermutete Chloe und klang dabei richtig wütend, was bei ihr selten vorkam.
„Was ist los?“ Alarmiert kam Danny herbei, der bereits an der Tür zum Flur gewesen war.
Es war Chloe, die in aller Kürze das wenige erzählte, was Danny nicht ohnehin schon wusste.
„Eine skrupellose Frau aus einer einflussreichen Familie, die aus Eifersucht handelt? Keine gute Kombination für diejenigen, die ihr Zorn trifft“, sinnierte er nachdenklich und blickte durch das Fenster in den bereits im Dunkeln liegenden Garten hinaus.
„Aber sie hat uns doch geholfen“, begehrte Norah auf.
„Wegen Rick, Sternchen. Sie wollte seine Aufmerksamkeit erregen.“
„Wir verschwinden durch das Fenster“, bestimmte Danny. „Norah, du kennst dich hier doch gut aus; du wirst uns führen.“
„Wo sollen wir hin?“, fragte sie und lief sofort zu ihm, als er die beiden Fensterflügel in den Garten hinaus öffnete.
„Zum Bahnhof. Wir fahren mit dem Zug bis zu einem anderen Hafen und schiffen uns von dort nach England ein.“
Norah stieg auf die Fensterbank und sprang ohne Zögern hinunter in das weiche Gras. Abwartend blickte sie hinauf und sah, wie Danny Chloe tröstend über die Wange strich. Daraufhin kletterte auch sie, ein wenig ungelenk, hinauf und sprang.
Sekunden später führte Norah die beiden in ein benachbartes Grundstück und von dort in eine der Parallelstraßen. Sie hasteten durch das Viertel, getragen von der Hoffnung, dieser neuen Gefahr, die wie eine drohende Wolke über ihnen schwebte, noch rechtzeitig entfliehen zu können.
Obwohl er fast schläfrig gewirkt hatte, hob Beckett ruckartig den Kopf. Eine Bewegung im Gartengrundstück hatte ihn aufgeschreckt. Er schob seine Kappe weiter in den Nacken und wartete ab. Nichts geschah mehr. Also versuchten die drei tatsächlich durch den Garten zu entwischen.
Er spurtete zu dem kleinen Grundstück, warf einen kurzen Blick zu dem nur angelehnten Fenster hinauf und lief bis zu einem niedrigen Holzzaun. Dort blieb er bewegungslos stehen und hielt den Atem an. Er vernahm deutlich die Schritte mehrerer Personen und ahnte sofort, in welche Richtung sich Norah und ihre Begleiter gewandt hatten.
Leise folgte er ihnen und sah sie kurz darauf im Licht einer Straßenlaterne eine Kreuzung überqueren. Beckett folgte Norah, Chloe und dem Fremden im Schatten der Hauswände und Bäume quer durch die Stadt. Dabei grinste er unablässig vor sich hin. Wäre Norah nach seinem Zusammenstoß mit diesem unfreundlichen Kerl nicht ganz plötzlich verschwunden gewesen, hätte er keinerlei Verdacht geschöpft, dass sie ihn vielleicht gesehen haben könnte. Durch ihr schnelles Untertauchen hatte sie sich verraten. Es war ihm ein Leichtes gewesen, sie wieder aufzustöbern; schließlich waren sie, die Dicke und dieser Fremde – aus welchem Grund auch immer – vor der Polizei geflohen, und somit hatte er sie wieder in diesem Haus direkt vor dem Queen’s Square vermutet – zu Recht! Er war sogar noch vor Norah, die ein paar Umwege in Kauf genommen haben musste, wieder vor Ort gewesen.
Ihm wurde im Laufe ihres Weges recht schnell klar, wohin die drei unterwegs waren. Allerdings stellte sich ihm die Frage, warum sie mit dem Zug die Stadt verlassen wollten. Aus welchem Grund versteckten sie sich vor der Polizei? Vielleicht brauchte er dem Mädchen gar nichts zu tun, sondern musste der Polizei nur mitteilen, wo sie sich befand? Aber darüber konnte er sich später noch Gedanken machen. Jetzt musste er zusehen, dass er sie in der inzwischen hereingebrochenen Dunkelheit nicht wieder aus den Augen verlor.
Norah wich zurück, da sie auf dem fast leeren Bahnsteig zwei Uniformierte entdeckt hatte. Die beiden Männer schlenderten langsam am Zug entlang, und während der eine von ihnen die einsteigenden Menschen im Auge behielt, schaute der andere prüfend in die schummerig beleuchteten Abteile hinein.
„Ob die unseretwegen hier sind?“, presste Chloe hervor.
„Ich werde mich mal erkundigen“,
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