Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)
Erklärung einfordernd.
„Wir gehen zuerst zum amerikanischen Konsulat. Danny hat da alles für unsere Trauung organisiert. Dann holen wir mein und dein Gepäck und reisen mit Danny nach Southampton.“
„Trauung? Ja, aber … warte mal“, unterbrach Norah sie.
Aber Chloe legte ihr ihre Hand auf den Mund und erklärte weiter: „Du wirst auf die Rückkehr der Titanic -Überlebenden warten wollen. Ich nehme gemeinsam mit Danny ein Schiff – obwohl mir bei dem Gedanken sehr unwohl ist – und fahre nach New York. Das wird meine neue Heimat werden.“
„Aber … Chloe?!“
„Sternchen, mir bricht es auch das Herz, meine Freundinnen und meine Schüler zurückzulassen. Aber es geht nicht anders. Die Polizei hat eine sehr genaue Beschreibung von mir und verdächtigt mich des Mordes an den beiden Männern. Ich muss hier weg, und zwar schnell.“
„Kommt endlich“, drängte Danny erneut.
Er verließ vor ihnen das Haus, und die beiden Frauen folgten ihm eilig durch die Straßen der Stadt.
„Aber Chloe, weshalb willst du Danny denn gleich heiraten? Ist das nicht ein bisschen zu plötzlich?“, wagte Norah schließlich zu fragen.
„Weil mich die amerikanische Staatsbürgerschaft schützen kann, Norah. Und sie fragen dort nicht nach der Religion. Außerdem geht es sehr schnell und unbürokratisch.“
„Chloe!“
Chloe beugte sich im Laufen zu Norah hinüber und flüsterte keuchend: „Ich mag ihn sehr, Norah. Das geht schon in Ordnung. Und er hat gesagt, dass er unsterblich in mich verliebt sei.“
„Na, dann!“, flüsterte Norah zurück, und diesmal war ihr Lächeln mehr als ein flüchtiges Aufblitzen ihrer Grübchen.
„Dann bist du also meine Trauzeugin und fährst noch bis Southampton mit mir mit?“
„Ich bin vermutlich die schmutzigste Trauzeugin, die jemals eine Braut gehabt hat“, murmelte sie. Und vermutlich auch die traurigste , fügte sie gedanklich hinzu, während sie miteinander in Richtung der prächtigen City Hall am Donegal Square einbogen.
In der Nähe des neuen, stattlichen Gebäudes mit seinen vier Türmen und der gewaltigen Kuppel trafen sie vollkommen unvorbereitet auf ein großes Aufgebot an uniformierten Polizisten.
Geistesgegenwärtig zog Norah Chloe zurück, und sie liefen die Straße, die sie gerade heraufgekommen waren, wieder hinunter.
Geschützt hinter einigen Bäumen und mit vor Aufregung wild klopfenden Herzen blieben sie schließlich stehen und drehten sich um. Danny war an der Kreuzung zurückgeblieben. Er beobachtete eine Zeit lang das große Polizeiaufgebot, bevor er sich wieder zu ihnen gesellte.
„Das gefällt mir nicht“, murmelte er, und seine Augen musterten besorgt die sichtlich nervöse Chloe.
„Ich könnte hinübergehen und mich erkundigen, was los ist“, schlug Norah vor und machte bereits ein paar Schritte in Richtung City Hall.
„Warte. Bleib du bitte bei Chloe. Ich werde das machen. Wenn die Polizisten in eure Richtung kommen, geht ihr unverzüglich zum Haus zurück.“ Danny eilte davon, während die beiden Frauen ihm unruhig nachblickten.
„Von hier aus sehen wir nicht früh genug, ob die Polizisten in diese Straße einbiegen. Chloe, du gehst noch ein paar Meter zurück. Ich stelle mich in die Nähe der Kreuzung. Wenn sie kommen, ziehe ich dieses Taschentuch hervor und wedle ein wenig damit herum. Das ist das Zeichen für dich, dass du ganz schnell abhauen musst.“
„Pass bloß auf, Norah.“
„Natürlich. Du brauchst doch eine Trauzeugin“, erwiderte Norah augenzwinkernd, um die nervöse Chloe ein wenig aufzumuntern, und hastete davon.
An der Straßenkreuzung angekommen blickte sie zurück. Chloe passierte gerade einen Mann, dessen karierte Schildkappe tief in seine Stirn gezogen war. Dieser drehte sich um und sah ihrer Freundin nach. Norah kniff die Augen zusammen. Bedeutete das etwas? War auch er eine Gefahr für Chloe?
Der Fremde setzte seinen eingeschlagenen Weg jedoch ohne weiteres Zögern fort. Norah verdrehte die Augen. Sie durfte nicht plötzlich überall potenzielle Gefahren sehen; das würde ihnen kaum helfen, halbwegs unbeschadet aus der schwierigen Situation herauszukommen. Gerade als sie sich den wartenden Polizisten zuwenden wollte, hob der Fußgänger, nun ganz in ihrer Nähe, den Kopf. Täuschte sie sich, oder war das Mr Beckett? Doch der Mann verschwand gleich darauf in einem Hauseingang, noch bevor sie ihm ein weiteres Mal ins Gesicht sehen konnte. Demnach musste es doch jemand anderes gewesen sein. Norah seufzte
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