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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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vor.
    „Ich bin Heizer, auf jedem Schiff, das mich mitnimmt“, lautete die Antwort, und wieder verwirrte Richard seine hohe Stimmlage. Ob man sich daran gewöhnen konnte, dass dieser muskulöse Mann nahezu wie eine Frau klang?
    Zumindest konnte er sich jetzt auch die tief in Dylans Hautporen sitzende schwarze Farbe und die nicht minder schwarzen Nagelbetten an seinen gewaltigen Händen erklären. Dieser Mann schaufelte Tag für Tag Tonnen von Kohle in die gewaltigen Brennöfen der Ozeanriesen!
    „Dann könnten Norah und du ja immer gemeinsam anheuern“, meinte Richard etwas unsicher. Dylans Arbeit erschien ihm so gering und schmutzig, dass ihm nichts anderes zu sagen einfiel.
    „Hey, Norah. Dein Freund aus Deutschland kennt noch einen Vorteil für unsere gemeinsame Zukunft!“, rief der Heizer munter durch den Raum.
    „Dann hast du, neben der Kuckucksuhr, jetzt zumindest schon mal einen zweiten“, kam die trockene Antwort, die allgemeines Gelächter nach sich zog.
    Der Duft von gebratenen Kartoffeln und Spiegeleiern erfüllte den Raum und Richard spürte seinen Magen verhalten knurren.
    Norahs Mutter brachte einen Krug mit Wasser, einige Gläser und danach sechs Krüge mit schäumendem Bier. „Die irische Konkurrenz“, lachte sie und verschwand wieder hinter der Trennwand.
    Norah stellte einen Stapel rustikale braune Steingutteller auf den Tisch, die Adam verteilte. Aus einer Schublade des Tisches zog er Besteck hervor und schließlich wuchteten die beiden Frauen zwei große, dampfende Pfannen auf den Tisch. Norah und ihre Mutter, die offenbar Ellen hieß, ließen sich den drei jungen Männern gegenüber auf einer zweiten Bank nieder.
    John sprach ein knappes Gebet und bediente sich dann als Erster, ehe seine Frau die Schöpfkelle übernahm und dem Gast, Dylan und schließlich ihren Kindern und sich selbst auftat.
    Während der Mahlzeit setzte sich das Gespräch munter fort. Adam erzählte von seiner Tätigkeit als Matrose und John von seiner Arbeit bei der Harland & Wolff -Werft. Somit erfuhr Richard, dass alle Anwesenden in der Schiffsindustrie tätig waren, wenn auch in ausgesprochen unterschiedlichen Bereichen.
    Als ihn der über seinem Kopf hervorschießende Kuckuck ein zweites Mal erschreckte, fragte Richard sich erstaunt, ob er tatsächlich schon mehr als eine Stunde zu Gast im Haus der Caseys war. Die Zeit war nur so verflogen.
    Der Ruf des Kuckucks hatte Norah wohl an ihre Frage von vorhin erinnert, auf die sie noch keine Antwort erhalten hatte, weil der hölzerne Vogel ihr Gespräch unterbrochen hatte. Sie stellte Richard ihre Frage erneut: „Hast du sie denn schon gesehen?“
    „Wen?“
    „Na, die Titanic, für die du die Pianos gebaut hast.“
    „Nein.“
    „Dann werde ich sie dir morgen zeigen. Ich hole dich um die gleiche Zeit ab wie heute. Vielleicht möchte Onkel Karl ja auch mitkommen.“ Sie begann geschäftig den Tisch abzudecken, als erwarte sie von ihm nichts anderes als seine Zustimmung.
    „Sie sind beide großartig“, begann ihr Vater von den Schiffen zu schwärmen. „Sie sind um die Hälfte größer als die beiden neuen Cunard-Schnelldampfer Lusitania und Mauretania. Es mussten spezielle Helling-Gerüste 1 konstruiert werden, weil die bisher genutzten zu klein waren, und die Docks in den Häfen – auch in New York – mussten für sie verlängert werden.“
    „Hey, du redest wie ein stolzer Vater von seinem Baby“, spottete Dylan.
    „Ich habe ja auch an ihrer Entstehung mitgewirkt. Das einzig Britische an ihnen sind die beiden Union Jacks, die auf ihnen flattern. Der Rest ist irisch“, brauste John gutmütig auf.
    Während Richard die Stirn runzelte, erwiderte Adam ruhig: „Und die Vorrichtungen, damit die Klaviere an Bord von allein spielen … die kommen aus dem Schwarzwald!“
    „Und die Klaviere und Flügel selbst stammen aus Hamburg“, wusste Norah.
    „Ja, und die Gymnastikgeräte aus Wiesbaden“, wagte Richard einzuwerfen.
    Sechs Augenpaare starrten ihn an, während plötzlich ungewohnte Stille im Raum herrschte.
    „Dann sind die Olympic und die Titanic ja halbe Iren und halbe Deutsche!“, sagte Ellen trocken und löste damit einen neuen Heiterkeitsausbruch aus.

    Die Dämmerung war inzwischen der Nacht gewichen, und da die Sterne von dunklen Wolken verdeckt waren, konnte man zwischen den Häusern kaum mehr als ein paar Schritte weit sehen.
    Connor, der größere der beiden wartenden Männer, trat ungeduldig von einem Bein auf das andere. „Das kann ja noch

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