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Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Der Klang des Pianos: Roman (German Edition)

Titel: Der Klang des Pianos: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Büchle
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legte ihm seine Hand auf die linke Schulter. „Machen Sie Schluss, Martin. Draußen wartet eine junge Dame auf Sie.“
    „Ist Fräulein Norah schon hier?“, wunderte sich Richard.
    „Norah Casey? Nein. Es ist Fräulein Andrews, Helena Andrews. Sie werden sich doch bestimmt an Sie erinnern.“
    Nur mühsam beherrscht legte Richard seine Arbeitsutensilien beiseite und erhob sich.
    Herr Bokisch griff nach seinem Gehrock. „Sie treffen Norah heute erneut? Richten Sie ihr und ihrer Familie bitte aus, dass ich leider auch heute Abend keine Zeit für einen Besuch bei ihnen habe. Eine der pneumatischen Vorrichtungen ist so stark beschädigt worden, dass wir Ersatz brauchen werden. Ich gehe zum Telegrafen und zum Bahnhof und versuche herauszufinden, wie wir die Ersatzteile in den nächsten Tagen noch nach Belfast bekommen.“
    „Das wird nicht einfach sein, Herr Bokisch.“
    „Das fürchte ich auch. Deshalb wird es wohl mit einem kurzen Telegramm nicht getan sein. Ich vermute, ich werde den Rest des Tages in den Büros der Eisenbahngesellschaft und der Fährgesellschaft verbringen. Grüßen Sie die junge Dame von mir, Martin. Und lassen Sie die andere junge Dame nicht länger warten.“ Er blinzelte ihm zu und verließ noch vor ihm den Holzschuppen.
    Richard breitete eine Plane über die beiden aus ihren demolierten Kisten befreiten Instrumente, um sie vor Staub und Feuchtigkeit zu schützen, und blickte kritisch an sich hinab. Er trug seine Arbeitshosen und ein einfaches Baumwollhemd, doch das ließ sich nicht mehr ändern. Wenigstens war beides noch sauber und halbwegs knitterfrei. Er bemühte sich, die Holzspäne und das Sägemehl abzuklopfen und seine Haare ordentlich zurückzustreichen. Dann erst löschte er die eigens für ihre Arbeit angebrachten elektrischen Glühlampen, die grell von der Decke herableuchteten, bevor er nervös aus der Scheune hinaustrat.
    Helenas Anblick ließ ihn noch im Türrahmen innehalten. In einem weißen Kleid aus Taft und Tüll und einem breitkrempigen, ebenfalls weißen Hut, an dessen Seite weiße Federn bis zu ihren bloßen Schultern hinunterfielen, stand sie neben einem gelb blühenden Forsythienstrauch. Sie wurde von der abendlichen Sonne angestrahlt, als stünde sie auf einer Bühne.
    Richard schluckte schwer und sah ein weiteres Mal unwillig an sich hinunter. Er fühlte sich schrecklich schäbig im Vergleich zu ihrer wunderschönen Erscheinung. Der Gegensatz zwischen einer zarten Lilie und einem struppigen Buchsbaum konnte kaum größer sein. Seine Handflächen wurden feucht, und er wischte sie hastig an seiner Hose trocken, schließlich konnte er der Dame so unmöglich die Hand geben.
    Helena zog einen der leuchtend gelben Zweige zu sich herunter und atmete den Duft der Blüten ein. Dabei entdeckte sie Richard. Ein Lächeln erhellte ihr ebenmäßiges Gesicht, und sie ließ den Zweig zurückschnellen, während sie sich ihm zuwandte.
    „Mr Martin, wie schön, Sie zu sehen!“, rief sie mit ihrer angenehm warmen Stimme und trat auf den Weg.
    Richard räusperte sich und ging ihr entgegen. Er fühlte sich schrecklich beklommen, und die Mischung aus Freude über ihre Anwesenheit und dem unterschwelligen Wunsch, fliehen zu können, um ja keinen Fehler zu begehen, förderte nicht gerade seine ohnehin mangelnde Gelassenheit. Mit einer eleganten Bewegung streckte sie ihm ihre behandschuhte Hand entgegen.
    Richard ergriff sie und hauchte einen Kuss über sie hinweg. „Sie hier, Miss Andrews?“, fragte er mit vor Nervosität trockener Kehle und kratzender Stimme. „Welch angenehme Überraschung!“
    „Ich bin selten in Belfast, Mr Martin. Ihre Anwesenheit nahm ich zum Anlass, einmal wieder ein paar Tage in dieser Stadt zu verbringen. Ich hoffe, Sie halten das nicht für unangebracht …“, fügte sie etwas leiser hinzu und senkte anmutig ihre langen Wimpern. Richard wusste nicht, wo ihm der Kopf stand. Sie war seinetwegen nach Belfast gereist?! Er spürte, wie sich die Härchen in seinem Nacken vor Aufregung aufstellten.
    „Keinesfalls, Miss Andrews. Ich freue mich sehr. Allerdings …“
    „Ich weiß, Mr Martin. Ihre Arbeit beansprucht Sie sehr. Aber das macht nichts. Vielleicht könnte ich Ihnen bei Gelegenheit ja eine Weile zusehen. Und abends wird Mr Bokisch Ihnen sicherlich freigeben, damit ich Ihnen ein wenig diese wunderschöne Stadt zeigen kann?“
    „Das hoffe ich, Miss Andrews.“
    „Schön. Dann fangen wir doch gleich damit an“, lachte die junge Frau und deutete

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