Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
auf der Insel gesprochen habe, teile ich mit, was weiterhin geplant ist. Mittagessen ist zwischen zwölf und eins.«
Als Louise das Zimmer verlassen hatte, wartete Vendela, bis sich die Türe am Ende des Korridors geschlossen hatte, bevor sie sich an ihre Chefin wandte.
»Harter Brocken.«
»Adlig«, entgegnete Ebba mit einem gelassenen Lächeln.
»V ielen Dank.«
»Und du gehörst dazu, eine Smythe-Fleming. Louise Armstahl konnte dich sofort korrekt einordnen. Du musst mir meine Unkenntnis englischer Noblesse verzeihen, aber ich wusste gar nicht, dass du aus so einer bekannten Familie stammst.«
»Keiner englischen, um Gottes willen! Wir haben schottische Ahnen, die bis in das 15. Jahrhundert zurückreichen.«
»Kein Name, den man so ohne weiteres ablegt also, solange man nicht einen Mountbatten oder Hohenzollern heiratet.«
»Ja. So einen Namen behält man.«
Ebba lächelte. Sie hatte den Namen Schröder angenommen, als sie Gregor geheiratet hatte. Ihre Familie hatte Kaplan geheißen und war in den 30er-Jahren aus Leningrad nach Stockholm gekommen. Sie war immer stolz auf ihre Abstammung gewesen, sie war in einem Gefühl der kulturellen Zusammengehörigkeit mit dem restlichen Europa erzogen worden. Aber obwohl seit Kriegsende fast ein halbes Jahrhundert vergangen war, war in der Familie gemurrt worden, als sich Ebba einen sehr blonden Deutschen gesucht hatte. Sie hatte ihnen entgegengehalten, Schiller und Hölderlin seien auch Deutsche gewesen. Mit ihrer neuen Familie hatte sie Weihnachten wie alle anderen Familien in Djursholm gefeiert. Und nicht Gregor hatte darauf bestanden, dass sie den Davidsstern gegen den Adventsstern eintauschen sollte. Das hatte sich so ergeben. Trotzdem hatte es sie geschmerzt, ihren Mädchennamen aufzugeben, aber sie war sehr in Gregor verliebt gewesen. Damals, zu Anfang. Als er vor drei Jahren gestorben war, hätte es keinen Sinn ergeben, ihren Mädchennamen wieder anzunehmen, vor allen Dingen deswegen, weil ihre Kollegen auf der Wache endlich gelernt hatten, ihren Namen richtig auszusprechen, Schröder statt Skröder. Tröstlich war, dass sie immer fand, Ebba Schröder habe einen schöneren Klang als Gregor Schröder. Letzteres erinnerte sie mehr an die Grimasse, die man machte, wenn man den Mund mit Mundwasser spülte.
Vendela trat ans Fenster und zog die Gardinen beiseite. Eine Staubwolke wirbelte auf und wurde von den Sonnenstrahlen beschienen, die durch das Südfenster einfielen.
»Glaubst du, sie hat uns dieses Zimmer überlassen, um uns zu ärgern?«, murmelte sie und versuchte, das Fenster zu öffnen, ohne zu viel Staub einzuatmen. Der Rahmen war verzogen, Farbe löste sich, tote Fliegen fielen herab, und sie stürzte beinahe ins Freie, als sich das Fenster schließlich überraschend nach außen öffnete.
»Aufgepasst, junge Frau. Ein Todesfall hier auf der Insel genügt«, hörte sie eine Stimme schräg hinter sich. Auf der Wiese stand Kaj und betrachtete sie amüsiert. Vendela lachte verlegen.
»Zuerst wollte das Fenster nicht aufgehen, und dann ging es plötzlich sehr schnell«, erklärte sie.
»Der Ketchupeffekt«, entgegnete Kaj amüsiert. »Und alles ist rausgerutscht, soweit ich sehen kann.«
Ebba stöhnte laut und trat rasch ans Fenster. Sie streckte den Kopf hinaus, ohne ihren Kollegen anzusehen.
»Kaj, ich will bis Mittag einen Lagebericht.«
»Mit Ketchup?« Kajs lautes Lachen hallte im Büro wider. Mit einer abrupten Bewegung schloss Ebba das Fenster wieder.
»W ie wäre es, wenn wir Kaj im Herbst eine Fortbildung über Genderfragen ausgeben würden?«, fragte sie und erhielt von Vendela ein markiertes Schaudern zur Antwort. »Als Nächste ist Anna Ljungberg dran. Könntest du sie hereinbitten?«
Während sie auf die nächste Vernehmung wartete, blätterte Ebba in ihren Papieren, um ihre Informationen über die zweite Geige des Furioso Quartetts zu repetieren. Sie hatte ihr Foto in der Hand, als Anna das Büro betrat. Ebba erhob sich halb, um sie zu begrüßen. Als sie Annas Hand ergriff, fiel ihr auf, wie kalt und kraftlos diese wirkte. Der Kontrast zu der flamboyanten Blondine auf dem Archivbild war verblüffend. Anna war, einmal abgesehen von einem nachlässig aufgetragenen Lippenstift, ungeschminkt. Das leuchtende Rot ließ sie noch unausgeschlafener erscheinen, als sie es vermutlich war. Aber so sah man aus, wenn man normalerweise sehr viel Make-up verwendete. Bleich und harmlos. Das Haar war frisch gewaschen, lag nass am Kopf an und ringelte
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