Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
Einsicht, dass das Leben aus anderen Werten besteht als denen, die man sich zuerst eingebildet hat.«
»Aber als Musiker sind die eigenen Gefühle der Einsatz.«
Der Hummer wurde serviert, und einen Augenblick lang kam das Gespräch zum Erliegen.
»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das abnehme«, meinte Ebba nach einer Weile und schüttelte skeptisch den Kopf. »Ihnen hat das harte kulturelle Klima nichts anhaben können, und Raoul scheint damit auch problemlos fertiggeworden zu sein.«
Louise lächelte.
»Sie wollen sich nicht mit Anna vergleichen?«
»W ir sind sehr unterschiedliche Menschen.«
»Ja, sie spielte ja auch nur die zweite Geige. Always the bridesmaid, never the bride.«
»Durchaus nicht. Sie ist schließlich gerade Konzertmeisterin des vielleicht besten Orchesters des Landes geworden. Das ist wirklich nicht zu verachten.«
»Und trotzdem … Als es mit der Karriere endlich weiterging, fehlte ihr die Kraft. Sie blieb in einer Art desillusioniertem Niemandsland hängen. So scheinen Sie es darstellen zu wollen.«
Louise hob ihr Glas und trank nachdenklich einen Schluck.
»V ielleicht ist es ja so, dass man nie in das Innere eines anderen Menschen blicken kann«, meinte Vendela. »Jene Probleme, die alle herunterspielen wollten, der Schwangerschaftsabbruch, die Trennung von Raoul, die aufgegebene Solistinnenkarriere, das einsame Leben … all das raubte ihr vielleicht die Freude am Leben.«
»W ir sollten keine Mutmaßungen anstellen, bevor wir mit Anna gesprochen haben«, meinte Ebba und konnte dem Impuls nicht widerstehen, Vendela vors Schienbein zu treten. Vendela sah sie ungnädig an. Ebba packte eine Hummerschere und knackte sie. »Hingegen … « Sie unterbrach sich, als ein Schalensplitter durch die Luft flog und an Pontus’ Stirn hängen blieb. Louise und Vendela lachten gleichzeitig, und Pontus schnippte den Splitter mit dem Daumen weg. Er beugte sich zu seiner Tischdame hinüber und sagte mit gespielt herablassender Miene: »Nächstes Mal bestellen wir dir einen Toast Skagen, Ebba.«
»Hingegen«, fuhr Ebba ungerührt fort, »interessiert mich Peders Rolle in dieser Geschichte.«
Louise lächelte. »Die Sache mit dem Boot war schon eine seltsame Idee von Ihnen, denn es hat keinerlei Bedeutung. Peder war bereits auf dem Weg nach Stockholm, als Raoul starb. Er kam auch an diesem Abend nicht mehr zurück. Ich kann Ihre Schlussfolgerung verstehen, schließlich war Raouls Leiche so lange verschwunden. Aber wenn Sie die Strömungen bei Svalskär kennen würden, würden Sie begreifen, dass die Leiche vermutlich erst ins tiefere Wasser gezogen wurde, um dann vom auflandigen Wind wieder ans Ufer getrieben zu werden. Die Strömung muss Raouls Schuh vom Fuß gerissen und dann hinausgetrieben haben. Es war ja so dunkel, dass die Wahrscheinlichkeit, dass jemand die Leiche auch direkt neben dem Steg im Wasser sehen würde, sehr gering war. Peder hat Raoul zwar einen linken Haken verpasst, aber das war auch alles. Sie stritten sich wie zwei Hähne. Nichts, was sonderliche Aufmerksamkeit verdient hätte, und vor allen Dingen nichts, wofür man Peder verurteilen könnte.«
»Glaubten Sie wirklich, dass wir Raouls Sturz ins Wasser als einen Unfall zu den Akten legen würden?«
»Ich brauchte Zeit zum Nachdenken, um mich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, dass Caroline einen Mord verübt hatte.«
»Haben Sie Caroline von alldem erzählt?«
Louise trank einen Schluck Champagner, weil sie eine trockene Kehle hatte. »Caroline muss man die Wahrheit in kleinen Portionen servieren. Sie verkraftet nicht alles auf einmal. Natürlich war sie erleichtert, als sie erfuhr, dass Raoul an Dexofen und nicht an den Spritzen gestorben war. Aber das erfuhren wir ja erst, als Sie die Todesursache herausfanden.«
»W arum haben Sie uns nicht die Wahrheit gesagt, als Ihnen klar wurde, dass Caroline unschuldig ist? Jonas Cronsparre kann sicher mildernde Umstände für Ihre Handlungsweise geltend machen«, meinte Ebba.
»Ich wollte Anna die Chance geben, die Wahrheit zu bekennen. Ich konnte sie nicht einfach hintergehen und sie anzeigen. Raoul war tot. Jetzt galt es, nach vorne zu blicken. Niemandem von uns hätte es genützt, einen Mörder zu benennen. Warum hätte ich das Leben für Anna noch mehr zerstören sollen? Sie hatte schon genug gelitten. Gewisserweise waren wir alle mitschuldig. Nicht zuletzt Raoul selbst.«
»Sie waren also die umsichtige Übermutter, die sich unbeirrbar um das ganze Quartett
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