Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Vendela war an diesem Abend sowohl eine Hilfe als auch eine Belastung. Aber Pontus’ Idee war nicht schlecht, es konnten sich unerwartete Entwicklungen ergeben.
»Jetzt bin ich aber neugierig. Was für eine Karriere stellte man sich für Pontus denn vor?«, wollte Vendela wissen und schielte amüsiert zu ihm hinüber.
»Pontus sang sehr schön. Wenn er Schubert sang, traten einem die Tränen in die Augen. Ich werde die Schulaufführung von ›T osca‹ nie vergessen. Wir konnten zwar keine Opern singen, aber Tosca mussten wir einfach aufführen. Ich dirigierte das Orchester, Orchester ist vielleicht auch zu viel gesagt, wir setzten ein etwas fragwürdiges Pianotrio zusammen, und Pontus stand auf der Bühne und sang den Cavaradossi.« Sie wandte sich an Ebba. »Alle waren davon überzeugt, dass er einmal Heldentenor werden würde.«
»T enor war mir eigentlich immer etwas zu hoch. Hätte ich den Scarpia singen dürfen, dann stände ich heute auf der Bühne der Met, statt mit Blaulicht durch die Gegend zu düsen. Dann hätte ich unter kulturellen Vorzeichen den Detektiv geben können.«
»W ie seltsam sich das Leben doch gestaltet. Jetzt sitzt du hier und bezichtigst mich des Mordes«, erwiderte Louise und lächelte Pontus schelmisch an.
Der Champagner wurde gebracht, und man hielt Pontus die Flasche hin, damit er ihn verkostete.
»Schenken Sie meiner Tischdame zuerst ein, ich würde gerne ihre Meinung hören«, sagte er. Ohne weitere Umschweife ging die Kellnerin zu Ebba und goss ihr ein. Ebba nahm einen demonstrativ großen Schluck und stellte fest: »Ganz okay.« Sie sah Pontus von der Seite an, und dieser lächelte belustigt. Die Kellnerin füllte sämtliche Gläser und stellte die Flasche dann in einen Weinkühler.
Ohne anzustoßen fuhr Ebba fort: »W enn ich Sie recht verstehe, müssen wir uns heute Abend mit einer diffusen Version der Wahrheit begnügen, zu der Sie sich außerdem nicht vor Gericht bekennen würden?«
»Das haben Sie ganz richtig verstanden, Ebba. Ich habe dafür einen triftigen Grund. Sie werden mich nie von etwas anderem überzeugen.«
»Und dieser Grund ist?«
»Caroline natürlich.«
»Ah«, meinte Ebba. »Sie konnten sie nicht vor Raoul beschützen, aber Sie versuchten zumindest, sie vor einer Verurteilung zu bewahren.«
»Caroline war davon überzeugt, Raoul mit den Spritzen getötet zu haben.«
»Aber wir verdächtigen sie ja gar nicht des Mordes. Anna hat, wie Sie wissen, gestanden.«
»Ich wusste damals nicht, dass es Anna war. Ich glaubte allen Ernstes, Caroline sei schuldig. Ich habe sie an diesem Abend gesehen.« Sie trank einen Schluck Champagner, damit alle das Gesagte verarbeiten konnten. »Jan, Kjell und ich waren im Esszimmer mit dem Redigieren beschäftigt, und ich hatte eine kurze Pause eingelegt, um mir die Beine zu vertreten und Tee in der Küche zu kochen. Da sah ich sie durchs Fenster. Raoul lag auf dem Steg, und Caroline prügelte wie wild auf ihn ein. Ich war erst vollkommen fassungslos. Als sie dann hysterisch ins Haus rannte und Raoul vollkommen reglos dalag, glaubte ich erst, sie hätte ihn erstochen. Ich fühlte mich gezwungen, der Sache auf den Grund zu gehen. Ich brachte es aber nicht über mich, Caroline zur Rede zu stellen. Ich war immer noch sehr erregt und wusste nicht, falls sie Raoul jetzt wirklich getötet hatte, wie ich die ambivalenten Gefühle bewältigen sollte. Um eine Begegnung mit ihr zu vermeiden, begab ich mich durch die Glastür im Studio ins Freie und eilte auf den Steg, um zu sehen, was passiert war.«
Sie sah die anderen am Tisch an.
»Raoul war tot, aber ich sah kein Blut und wusste nicht, wie er gestorben war. Als ich dann sah, wie die Haustür geöffnet wurde, handelte ich instinktiv und stieß Raoul ins Wasser. Ich dachte, ich müsste alle Beweise für Carolines Tat beseitigen. Wenn man Carolines Fingerabdrücke nicht auf Raouls Leiche fand, dann konnte man sie auch nicht einer Straftat bezichtigen. Vielleicht würde es ja wie ein Unfall aussehen. Raoul lebte nicht mehr, was nützte also ein Sündenbock schon? Außerdem würde nichts den Schmerz, den er uns bereitet hatte, wiedergutmachen können. Ich setzte mich also hin und stieß ihn mithilfe meiner Beine vom Steg. Ich hatte Angst, dass es einen lauten Plumps geben würde, aber der Leichnam glitt einfach in das dunkle Wasser. Beim Steg ist es mehrere Meter tief. Wir haben dort etliche Felsen weggesprengt, damit man mit größeren
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