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Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso

Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso

Titel: Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Bartosch Edström
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Hände auf die Schultern. Ihr Verband hob sich weiß von Carolines dunklem Haar ab.
    Anna zog Louise einen Stuhl heran, damit sie zuhören konnte, und nahm dann vor ihrem Notenständer neben Helena Platz. Bis auf Raoul waren alle bereit. Dieser wühlte in seiner Mappe, fand seine Stimme jedoch nicht.
    »Ich habe sie in meinem Zimmer«, sagte er dann halblaut und mit diffus vorwurfsvoller Stimme, legte seine Geige auf seinen Stuhl und verschwand, um die Noten zu holen.
    »Du kannst meine nehmen, ich habe das Original hier«, rief ihm Louise hinterher, aber er war schon außer Hörweite. Die Zeit verging. Eine Viertelstunde später kam er wieder die Treppe hinunter. Er telefonierte. Mit einem Hörstöpsel im Ohr und dem Handy in der Hand betrat er das Studio und stellte sich neben seinen Stuhl. Ohne sich darum zu kümmern, dass die anderen auf ihn warteten, telefonierte er noch einige Minuten weiter. Die zunehmende Verärgerung im Raum kümmerte ihn nicht. Helena schloss die Augen, um ein innerliches Zittern zu unterdrücken. Am liebsten hätte sie ihm sein Handy um die Ohren geschlagen. Anna begann nach einer Weile, ihre Stimme zu spielen, leise, aber trotzdem als nicht misszuverstehende Aufforderung. Raoul blieb jedoch unerreichbar. Während er telefonierte, betrachtete er seinen Notenständer. Caroline hatte ihr Cello beiseitegestellt und steckte ihr Haar hoch. Sie hob ihre beiden Arme, verschränkte ihre Hände hinter dem Kopf, und ihre runden Brüste hoben ihren kurzen, dünnen Pullover an. Einen Augenblick funkelte der silberne Ring auf, den sie im Nabel trug, dann fiel der Pullover wieder herab. Sie beugte sich vor und griff wieder zu Cello und Bogen. Die Exposition war vorüber, bevor sie überhaupt zu spielen begonnen hatten. Raoul klappte mit einem energischen Knallen sein Handy zusammen.
    »Na also«, meinte Louise um Fassung bemüht, als er endlich auf seinem Stuhl Platz nahm und zu seiner Geige griff. »W ir spielen jetzt das Quartett einmal ganz durch und sehen, was das ergibt.«
    Raoul strich den Bogen einige Male fest über die Saiten, stimmte rasch und spielte dann sein A, damit die anderen einstimmen konnten. Als er darauf wartete, dass Helena seinen Ton finden würde, schenkte er ihr überraschend ein warmes Lächeln. Er hob seine Augenbrauen auf diese schnelle und charmante Art, mit der er immer seinen Willen durchsetzte. Helena hätte sein Lächeln fast erwidert, beherrschte sich jedoch im letzten Augenblick. Ha! Wie leicht er sie doch um den Finger wickelte, wenn sie nicht auf der Hut war. Dieses Mal schaffte sie es. Sie hatte geübt, sie konnte ihre Stimme, sie brauchte nicht nervös zu sein. Trotzdem wusste sie, dass sie nie gut genug sein würde. In einem Streichquartett hatte man nicht die Möglichkeit, sich zu verstecken und seine Inkompetenz zu verbergen. Alle Stimmen waren zu hören und ergänzten sich. Die Bratsche war zwar das Instrument, das sich am wenigsten hervortat, und zumindest in älteren Streichquartetten weder in technischer noch in künstlerischer Hinsicht übermäßig anspruchsvoll, aber sie konnte sicher sein, dass Raoul Liebeskind nichts entgehen würde. Er hörte alles, jede kleinste Unsicherheit. Nur die wenigen Striche auf seiner Geige hatten gezeigt, welch ein Meister er war, er übertraf selbst Louise bei Weitem. Helena schielte zu den anderen hinüber, Anna lächelte Raoul entspannt an. Es schien ihr recht zu sein, links von Raoul zu sitzen. Caroline wirkte konzentriert und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, während sie ihr Instrument mit schräg an die Schnecke gehaltener Schläfe, um die Töne aller Saiten durch den Schädelknochen zu hören, stimmte.
    Nur sie, Helena, war nervös, und dazu hatte sie auch allen Grund. Sie durfte keinen Fehler machen, sie durfte nicht einmal andeutungsweise preisgeben, wie es in ihrem Inneren aussah, denn dann konnte sie den Bogen gleich beiseitelegen, direkt nach Hause fahren und sich in ihrem Weinkeller verkriechen. Sie konnte die Situation nur beeinflussen, indem sie so professionell wie möglich arbeitete und um jeden Preis vermied, Raoul physisch oder psychisch nahezukommen.
    Da tat er es wieder. Er sah sie durchdringend an, und sie konnte ihren Blick einfach nicht von ihm losreißen. Sie war wie verhext. Raoul blinzelte schelmisch mit einem Auge, kehrte dann aber blitzschnell zu seiner offiziellen Aufgabe zurück und begann das Spiel. Ein Blick, und ihr gesamtes, schwer erkämpftes Gleichgewicht zerfiel in Stücke, ihre Kraft

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