Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
einen Leistenbruch bekommt, wenn er sein Kind hochhebt.«
»Anna ist doch noch frei«, meinte Louise.
»Anna, ja … Nein, eher nicht«, erwiderte Raoul nachsichtig. »Anna, die Gute. Ich wünsche ihr wirklich, dass alles gut wird.«
»Du weißt, dass sie Brustkrebs hatte?«
»Ja, sie hat es erzählt.«
»Die Operation ist gut verlaufen, aber sie muss sich immer noch behandeln lassen, soweit ich weiß.«
»Es ist sicher nicht leicht, damit allein zu sein. Wenn sie bloß einen netten Mann fände. Das hätte sie wirklich verdient.«
Die Haustür wurde geöffnet, und Carolines große Gestalt tauchte auf der Schwelle auf. Louise beugte sich nach hinten und lächelte sie an.
»Hallo, Liebling. Bist du mit dem Üben fertig? Komm und setz dich.«
Caroline zögerte und wusste nicht recht, wohin mit sich selbst. Aber Louise hatte bereits zwischen sich und Raoul Platz gemacht und klopfte auffordernd auf die Treppenstufe. Zögernd trat Caroline einen Schritt ins Freie und setzte sich auf den angewiesenen Platz. Sie sah Raoul aus den Augenwinkeln an und nickte leicht zur Begrüßung. Louise legte ihr den Arm um den Rücken und spielte mit ihren Locken. Carolines linkes Bein und ihr Arm berührten die von Raoul. Sie konnte an nichts anderes denken.
»Ich habe versucht, Raoul davon zu überzeugen, zu Anna zurückzukehren«, sagte Louise und warf Raoul einen konspirativen Blick zu.
»Ach so«, meinte Caroline.
»V ermutlich keine so gute Idee«, murmelte Raoul. »Eine Jugendsünde. Anna hat einen Besseren verdient.«
»Du solltest dein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Du bist wirklich eine gute Partie, Raoul.« Louise lehnte sich an Caroline. »Du müsstest mal sehen, was für eine fantastische Maisonettewohnung er hat. Schräg gegenüber der Met, mit Dachterrasse. Wir sollten ihn dort einmal besuchen, du und ich.«
Caroline lächelte höflich und etwas verlegen. »Darauf freue ich mich wirklich«, antwortete sie und überlegte sich, ob sie so verlogen klang, wie sie sich fühlte.
»Du arbeitest also freiberuflich und auch recht häufig als Solistin, nicht wahr?«, fragte Raoul, der genauso bestrebt war wie Caroline, das Thema zu wechseln.
Caroline antwortete nur mit Ja, und Louise stieß sie an: »Erzähl schon, Caro. Du hast doch wahnsinnigen Erfolg. Dein Agent kann sich vor Angeboten nicht retten.« Sie wandte sich wieder an Raoul. »Alle reißen sich um Caroline.«
Raoul holte tief Luft. Caroline machte sich noch kleiner.
»Und wer ist dein Agent?«, fragte Raoul, um auf ungefährlichem Terrain zu bleiben.
»Ja … also, es war Louise, die … «, begann Caroline zögernd und nickte in ihre Richtung.
Louise beeilte sich zu ergänzen: »Ich habe sie bei meiner Agentur untergebracht. Natürlich. Schließlich ist es praktisch, dass wir dieselbe haben. Und ich weiß, dass sie Caroline dort sehr gut betreuen.«
Dann betrachtete sie Carolines gesenkten Kopf und fuhr fort: »Du wärst aber auch so bei der Agentur untergekommen.« Sie stieß Caroline kameradschaftlich an. »Natürlich! Schließlich machst du die Arbeit. Niemand kann für dich spielen.«
»Lass dich nicht auf zu niedrige Honorare ein, bloß weil du noch neu im Geschäft bist. Lass dich nie auf das erste Angebot ein«, meinte Raoul erst etwas nachdenklich, dann mit mehr Nachdruck. »Und wähle unter den Angeboten genauestens aus. Nimm nicht einfach etwas an, bloß weil es interessant klingt, sondern versuche immer so gut vorbereitet zu sein wie möglich. Keine Schlamperei.«
Erst jetzt gelang es ihm, Caroline ein kleines Lächeln zu schenken. Sie erstarrte, als sie ihm in die Augen blickte, und schlug sofort den Blick nieder.
»Arbeite am Abstrich … «, fuhr er fort. Ungeschickt schlug sie ihm aufs Knie. Louise lachte gezwungen.
»Nimm es mit der Auswertung deiner Konzerte sehr genau und plane sorgfältig«, fügte Raoul hinzu. »Du musst selbst wissen, was du willst, und darfst dich nicht für die falschen Dinge verausgaben. Vergiss nie, dass dein Manager nur daran interessiert ist, so lange es geht, Geld an dir zu verdienen. Es gilt krasses Profitdenken. Aber solange du die Spielregeln kennst, kannst du sie nutzen, um deine Ziele zu erreichen.«
Jetzt hatte er sie auf sein Territorium gelotst. Raoul verbreitete Weisheiten, und Caroline hatte das Gefühl, als Mensch und Künstlerin zu wachsen. Sie saß zwischen zwei berühmten Solisten, die ihre Zukunft planten. Ihre funkelnden Augen verrieten, dass sie sich eine fantastische Zukunft
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