Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
Jetzt ist es genug. Ich habe keine Kraft mehr und Joy auch nicht.«
»Keine Kraft mehr für die Beziehung oder nur in Hinsicht auf Kinder? Habt ihr schon mal über Adoption nachgedacht?«
»Unsere Ehe ist vollkommen am Ende. Dieser letzte Versuch mit dem Reagenzglas war wirklich die Hölle. Jetzt reicht’s.«
»Sie muss am Boden zerstört sein.«
Raoul lächelte sie vorwurfsvoll an. »Louise, du brauchst dich nicht zu verstellen. Du hast Joy nie gemocht, und sie kann dich nicht ausstehen. Und jetzt ist es vorbei. Wir wollen uns scheiden lassen, es wird also schnell gehen. Ich habe bereits die Verhandlungen mit Miles begonnen.«
»W ird es teuer?«
»Das glaube ich nicht. Mittlerweile habe ich ja eine gewisse Routine. Ich beharre bei der Eheschließung immer auf Gütertrennung. Kathy hat ja ganz schön an zwei Jahren Ehe mit mir verdient. Sie konnte ihr Studiendarlehen für ihr Musikstudium abbezahlen und sich außerdem noch einen Steinway-Konzertflügel kaufen. Diesen Fehler habe ich dann mit Marcelline nicht noch einmal begangen. Ich frage mich, ob sie deswegen dann immer so reserviert war. Auch bei Joy habe ich in dieser Hinsicht keinen Zweifel gelassen.«
»Na, dann brauchst du jedenfalls nicht deine Nachtigall zu verkaufen.«
Er lachte kurz. »Joy bekommt kaum eine Öre, und das ist sie auch nicht wert. Es ist mir scheißegal, ob sie sich das Geld für die Miete in der U-Bahn zusammenspielen muss.«
»Die Gefahr ist doch wohl eher gering.« Louise knipste ein paar vertrocknete Knospen ab und riss einen Streifen loser Farbe von der Wand. Dann setzte sie sich neben Raoul. Er legte ihr einen Arm um die Schultern, und sie lehnte ihren Kopf an ihn.
»T ja, das wäre also wieder einmal das Ende, Raoul.«
Er schluckte, und seine Miene drückte Enttäuschung aus. »Ich weiß nicht, warum es immer so schiefgehen muss.«
»Du suchst dir eben die falschen Frauen.«
»Ich finde, dass ich alle Arten ausprobiert habe. Ich weiß gar nicht, ob noch eine übrig ist.« Er versuchte, das wie einen Scherz klingen zu lassen, aber seine Trauer war ihm deutlich anzumerken.
»Und was wünschst du dir?«
»Ein friedliches Familienleben. Gott, wie sehr ich mir das wünsche.«
»Du machst Witze. Wie willst du das denn bewerkstelligen?«
»Nein, ich mache keine Witze. Ich bin die Reiserei und den Druck wahnsinnig leid. Geht es dir nicht genauso? Es macht einfach keinen Spaß mehr. Ich werde nervös, wenn ich spielen soll. Das ist mir früher nie passiert. Letzte Woche habe ich Mozarts fünftes Violinkonzert gespielt. Wie oft habe ich das noch gleich gespielt? Sicher fast hundertmal im Konzert. Ich war vollkommen zittrig, als ich die Bühne betrat. Ich wusste nicht, was geschah. Aber wenn man in einem gesichtslosen Hotelzimmer erwacht und sich nicht erinnern kann, ob man sich in Süd- oder Nordamerika befindet, dann ist es wirklich an der Zeit, darüber nachzudenken, was man eigentlich tut. Der Preis ist zu hoch. Es reicht. Ich wünsche mir einen festen Tagesablauf, Gewohnheiten. Ein Leben. Ich habe geglaubt, das sei mit Joy möglich. Aber ich habe mich geirrt.«
Sie schwiegen eine Weile, bis Raoul wieder die Stimme erhob. »Joy hat bereits einen anderen.«
Louise zuckte zusammen. »W as du nicht sagst! Obwohl ihr versucht habt, ein Kind zu bekommen?«
»Sie will mit ihrem neuen Liebhaber zusammenziehen, so einem jungen Dirigentenschnösel. Offenbar haben sie bereits seit einem halben Jahr eine Affäre. Vollkommen unglaublich. Er ist sicher zehn Jahre jünger als sie. Sie hat es mir gestern am Telefon erzählt.«
»O Raoul, du Ärmster!« Sie umarmte ihn fest. »W ie traurig du sein musst. Wie konnte sie dich nur so hintergehen?«
Raoul erwiderte nichts. Er drehte den Kopf zur Seite und schaute übers Meer. Louise ließ ihn los.
»Aber wieso hat sie denn weiterhin versucht, mit dir ein Kind zu bekommen, obwohl sie bereits dabei war, die Ehe aufzugeben?«
»Gute Frage. Ich möchte über die Antwort lieber nicht nachdenken.«
»W ie meinst du das?«
»Ach, vergiss es. Vergiss alles. Es ist passé und vorbei. Jetzt bin ich einfach nur froh, dass ich sie nicht mehr wiedersehen muss.«
»Du hast doch noch jede Menge Zeit, eine Familie zu gründen. Und was Freundinnen angeht, gehörst du nicht zu den Leuten, die etwas anbrennen lassen, so wie ich dich kenne.«
Er lachte verlegen und vermied es, sie anzusehen. »V ielleicht. Aber ich habe das Gefühl, dass die Zeit einfach vergeht. Ich will kein alter Vater sein, der
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