Der Klang des Todes - Bartosch Edström, C: Klang des Todes - Furioso
Fingerspitzen weg und leckte diese anschließend sorgfältig und konzentriert ab.
Anna trat lautlos einen Schritt zurück und drückte sich an die Wand des schmalen Ganges, der Studio und Küche verband, um nicht gesehen zu werden. Der Schock über das Gesehene verwirrte sie derart, dass sie nicht wusste, was sie tun sollte. Ihr Herz pochte und schmerzte.
»Und? Gibt es was zu essen?«, hallte es aus dem Studio. Anna hörte, wie sich Louises und Helenas Schritte näherten, zuckte zusammen und warf einen raschen Blick nach rückwärts. Ihr blieb nichts anderes übrig, als weiter nach oben zu gehen. Caroline stand am Eichentisch und deckte ganz beiläufig den Tisch. Anna schwankte leicht und wäre fast mit ihr zusammengestoßen, ehe sie sich auf einen Stuhl sinken ließ. Verlegen sah sie Caroline von der Seite an, und diese lächelte strahlend. Fröhlich pfeifend goss Raoul das Nudelwasser ab und vermischte die Spaghetti mit Pesto und Brokkoli. Die Spannung im Raum war verflogen.
»Setzt euch, il pranzo è servito!« Raoul trocknete sich die Hände an einem Handtuch ab und stellte die Pastaschüssel auf den Tisch. Caroline nahm die Teller entgegen und servierte allen, während Raoul um den Tisch herumging und Mineralwasser einschenkte.
Der Gastgeber und die kleine Gastgeberin, dachte Anna und biss die Zähne zusammen. Ich frage mich, was Louise dazu sagen würde.
Sie hatte große Lust, sich vorzubeugen und es Louise, die direkt neben ihr saß, ins Ohr zu flüstern. Aber das würde ihr selbst weiter nichts nützen.
»Komm her, ich könnte dich stattdessen aufessen!«, lachte Louise und legte Caroline einen Arm um die Taille und zog sie an sich. Caroline schwankte und ließ sich auf den Stuhl neben Louise fallen. Louise nahm Carolines Gesicht mit beiden Händen und gab ihr einen langen, lauten Kuss. Der Kuss zog sich immer weiter in die Länge, und schließlich riss sich Caroline los.
»Ich bekomme keine Luft!«, lachte sie und warf den Kopf zurück.
Raoul hatte, die Flasche in der Hand, innegehalten und betrachtete die beiden etwas besorgt.
»Ja, danke. Ich hätte auch gerne Wasser«, sagte Helena beherrscht, da er die Flasche über ihr Glas hielt, ohne ihr einzugießen. Raoul goss ihr nachlässig ein und nahm dann neben ihr Platz.
»Selber hallo«, sagte er und blinzelte leicht.
»Hallo ebenfalls«, erwiderte Helena trocken und machte sich über ihr Essen her, ohne ihn anzuschauen.
Raoul aß mit großer Begeisterung. Er wickelte Unmengen Spaghetti um die Gabel und schob sie in den Mund. Caroline stocherte kokett in ihrem Essen. Sie hatte ein Brokkoliröschen auf ihre Gabel gespießt und knabberte aufreizend an ihm herum. Raoul hatte aufgegessen, noch ehe sie richtig mit ihrem Essen begonnen hatte. Er lehnte sich zurück und kaute zufrieden auf einem Zahnstocher, während er sie über den Tisch hinweg betrachtete.
Nach dem Mittagessen stand Caroline allein in der Küche und spülte. Sie summte eine Melodie und ging aufgeräumt mit der Stahlwolle auf den Topf los. Anna trat an sie heran.
»W as tust du eigentlich?« Sie stand so dicht neben Caroline, dass sie ganz leicht ihr Parfüm wahrnahm, das sich mit dem Duft ihrer Haut vermischte.
»Ich spüle«, lachte Caroline und widmete sich weiter unbekümmert dem Topf. »Du weißt schon, Spülmittel und Wasser … «
»Hör schon auf, tu nicht so«, fauchte Anna. »Du weißt sehr gut, was ich meine.«
Caroline hielt mitten in der Bewegung inne.
»W as soll der Unsinn?«, fragte sie und sah Anna von oben nach unten an. Anna spürte, wie ihr das Blut heiß in die Wangen stieg. Es fiel ihr manchmal schwer, damit umzugehen, dass Caroline sie verunsicherte. Dazu waren nur ein Blick oder eine überlegene Miene notwendig. Sie musste sich zusammennehmen, um nicht plumpe Vorwürfe auszustoßen.
»Du verletzt Louise, wenn du so weitermachst. Und Raoul im Übrigen auch. Weißt du eigentlich, was seine Frau und er im Augenblick durchmachen? Sie hat die dritte Fehlgeburt gehabt.«
Caroline schwieg und schaute nach unten. Anna spürte erleichtert, dass sie ruhiger wurde. Jetzt konnte sie gelassener weitersprechen, und das war immer viel effektiver.
»Das wusstest du nicht, was? Deswegen telefoniert er die ganze Zeit. Aber du hast ja keine Ahnung. Du denkst, du könntest einfach in das Leben anderer hineinpoltern und dich bedienen. Du sonnst dich in Louises Zuneigung und flirtest gleichzeitig mit Raoul. Pfui Teufel, Caroline. Das ist wirklich das Letzte.«
Caroline
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