Der Klang des Verderbens
abspielen, um ganz sicherzugehen, dass nichts verändert wurde.«
»Stimmt. Aber diese Namen – das ist merkwürdig«, grübelte sie.
»Ja. Hoffentlich bedeuten zwei verschiedene Namen nicht …«
»… zwei verschiedene Mörder.« Sie fuhr sich erschöpft übers Gesicht und sandte ein Stoßgebet gen Himmel, dass sie es diesmal nicht mit der doppelten Portion Psycho zu tun hatten.
Es klopfte an der Tür, die gleich darauf geöffnet wurde. Ronnie nickte der eintretenden Dr. Eileen Cavanaugh zu. Sie wirkte etwas außer Atem und ein bisschen aus der Fassung, wenn auch genauso schön und elegant wie immer. Die hochgewachsene blonde Wissenschaftlerin sah eher wie ein Model aus, und Ronnie vermutete, dass ihre dicke Brille eher der Wirkung wegen denn aus Notwendigkeit auf ihrer Nase saß.
»Tut mir leid, dass ich mich verspäte, Sir, ich war im Labor und Ihre Nachricht hat mich nicht gleich erreicht.«
»Schon gut«, sagte Dr. Tate und winkte sie herbei. »Bitte kommen Sie herüber, um sich das hier anzuschauen, und dann fangen wir mit der Arbeit an. Jeremy?«
Sykes reichte ihm seinen USB -Stick. Diesmal sahen sie alle vier zu; Ronnie und Jeremy beugten sich über den Schreibtisch, Dr. Cavanaugh stand hinter ihrem Chef und schaute ihm über die Schulter. Genau wie Jeremy gesagt hatte – soweit sie das beurteilen konnte, sahen alle Bilder genauso aus wie bei ihr und wurden auch in derselben Reihenfolge wiedergegeben. Da war der lange Blick auf die Betonwand, das kurze Auftauchen des schwarzen Plastikrandes, das verriet, dass es sich um eine Aufnahme von einem Video handelte, das auf einem Bildschirm abgespielt wurde. Dann der Fokus auf das misshandelte Opfer. Als sein zerstörtes Gesicht erkennbar wurde, hörte Ronnie Dr. Cavanaugh einen Laut des Ekels ausstoßen und tat es ihr innerlich nach.
Diesmal konzentrierte sie sich auf das Opfer und suchte seinen blutüberströmten Körper nach weiteren besonderen Merkmalen, Narben oder Tattoos ab. Die auf seinen Armen würden bei der Identifizierung enorm helfen. Abgesehen davon gab es nur wenige brauchbare Hinweise darauf, wer er gewesen sein mochte – sein Körperbau, einige schwarze Haarsträhnen, die Goldketten. Sie würden auf öffentliche Behördendaten zurückgreifen müssen, um nach jemandem zu suchen, dessen Todesart sich mit dieser deckte, und hoffen, dass der Mörder seine Spuren nicht verwischt hatte, indem er die Leiche versteckt oder noch weiter verstümmelt hatte.
Erst am Ende von Jeremys Datei wurde es interessant. Denn wieder einmal sprach der Mörder seinen Zuschauer – Sykes – direkt an, doch die Botschaft war eine andere als bei Ronnie.
Guten Morgen, Special Agent Sykes.
Vermutlich habe ich nun Ihre Beachtung gefunden. Tut mir leid, dass Sie mit dem Gesicht nicht mehr viel anfangen können, aber Sie finden sicher schnell heraus, wer unser Humpty Dumpty war.
Danach allerdings könnte es kompliziert werden. Solange Sie nicht verstehen, warum ich tue, was ich tue, werden Sie nie begreifen, wer ich bin.
Sind Sie dabei? Wollen Sie sich mit mir auf dieses Abenteuer begeben? Besteht auch nur der Hauch einer Chance, dass Sie mich aufhalten?
Ich zweifle daran.
Hochachtungsvoll,
David
»David?«, las Ronnie vor und versuchte zu ergründen, was der andere Name sollte. »Das ist wohl eher kein Tippfehler, wie?«
»Unwahrscheinlich.«
»Aber es muss derselbe Kerl sein«, sagte sie. »Ganz offensichtlich handelt es sich um das gleiche Video, denn es wurde vom gleichen Bildschirm aufgenommen.«
Jeremy gab ihr recht. »Selbst der Tonfall der Nachricht, der Rhythmus der Sprache ist ähnlich.«
Ronnie überflog die Worte noch zweimal. Im Vergleich empfand sie diese Nachricht sogar als noch rätselhafter – und höhnischer – als die, die sie bekommen hatte. Sie lehnte sich auf ihrem Sessel zurück. »Ich hasse Wortspiele.«
»Du hasst jegliche Form von Spielen«, bemerkte Jeremy.
»Warum können die Leute nicht einfach sagen, was sie meinen?«
»Ja, ein Name, eine Adresse und ein Motiv wären hilfreich gewesen.«
»Zwei Namen und zwei Adressen«, erwiderte sie grinsend. »Täter und Opfer.«
»Wenn diese Täter doch nur etwas entgegenkommender wären.«
»Träumen ist ja wohl erlaubt.« Sie zuckte bedauernd mit den Schultern. »Aber mal im Ernst, was soll der Spruch über Humpty Dumpty?«
»Wahrscheinlich soll das heißen, dass er sein Opfer unwiederbringlich zerlegt hat.«
Sie überlegte, was dem Mann alles angetan worden war, und musste
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