Der Klang des Verderbens
schlagartig.
Schnipp.
Feuer wütete in seinem Schädel. Blut sprudelte ihm heiß und salzig in den Mund und spritzte durch den Raum, als er vor Schmerz aufheulte. Tränen rannen aus seinem guten Auge, und er merkte, wie er das Bewusstsein verlor.
Der Lappen. Dieser Gestank. Er stöhnte, als er wachgerüttelt wurde, um den Schmerz noch einmal zu durchleben.
»Wahrscheinlich fragst du dich, warum du das alles gerade durchmachst.«
Nein. Tat er nicht. In diesem Augenblick stellte Angelo sich lediglich vor, wie dieser Kerl von wilden Tieren zerfleischt wurde oder wie er ihm genüsslich mit seinem größten Messer die Haut abzog, malte sich aus, wie er in seinen Eingeweiden herumwühlte, ihm die Gedärme herauszog und seinen Hunden zu fressen gab, während der Mann um die Gnade bettelte, die er selbst nicht gewährte.
Der verrückte Gringo erzählte es ihm trotzdem. »Wegen des 20. Oktobers.«
Angelo versuchte etwas zu erwidern, aber er brachte nicht mehr zustande als ein raues Stöhnen, bei dem ihm Spucke und noch mehr Blut über die Lippen flog.
»Du verstehst es nicht. Macht nichts. Musst du auch nicht. Sagen wir einfach, wenn der 20. Oktober nicht gewesen wäre, würdest du immer noch auf deinem verschissenen Thron sitzen und überlegen, welche Frau deine Gang als Nächstes vergewaltigen soll oder welches Kind du heute zum Junkie machen willst.«
Das ergab keinen Sinn. Aber wahrscheinlich wäre es ihm auch nicht viel sinnvoller vorgekommen, wenn er nicht so riesige Schmerzen empfunden und so viel Blut verloren hätte, wenn er nicht innerlich gebrochen wäre und sich fragen würde, wie viel er noch ertrug. Er hatte mit dem Terroranschlag vom 20. Oktober 2017 gar nichts zu tun. Himmel, vor fünf Jahren war er gerade erst in diesem Land angekommen und hatte begonnen, seinen eigenen Stoff zu importieren. Er hatte damals noch kaum jemanden ermordet – jedenfalls niemanden von Bedeutung –, geschweige denn war er an dem Bombenanschlag beteiligt gewesen, durch den ein Großteil von Washington mitsamt dem Präsidenten in die Luft gejagt worden war.
»Vermutlich könnte ich es dir erklären, schließlich
hört
ja niemand, worüber wir reden.« Er lachte leise. »Oder besser gesagt, worüber
ich
rede. Ich bezweifle, dass
du
jemals wieder sprechen wirst, im kläglichen Rest deines kümmerlichen, nutzlosen Lebens.«
Der Mann ging zu einer Spüle in der Ecke und begann Zange und Schere zu säubern. Beim Schrubben pfiff er leise vor sich hin. Er sah sogar auf und lächelte sich selbst im Spiegel zu, der über dem Waschbecken hing – nützlich, wenn man den ganzen Raum jederzeit im Blick haben wollte. Vor allem den Eigentümer dieses Raums, der auf einem Stuhl in der Mitte verblutete.
»Aber leider«, fügte der Mann schließlich hinzu, »haben wir dafür keine Zeit mehr. Es war mir eine Freude, dich so zu behandeln, wie du es verdient hast, aber jetzt muss ich allmählich von hier verschwinden.«
Sollte das heißen, dass er Angelo am Leben ließ? Dass das hier ein Ende nahm?
Dass er geschlagen, blutüberströmt, gebrochen, ohne Zunge und ohne Eier hier sitzen würde … und gerade so am Leben bliebe, um herausfinden zu können, wer dieser Hurensohn war, und dann die grausamste Rache zu ersinnen, die je ein Mann erlitten hatte?
»Oh, tut mir leid, wenn ich dir Hoffnungen gemacht habe«, flötete der Mann, drehte sich um und lächelte ihn an, als hätte er Angelos Gedanken gelesen. »Auf gar keinen Fall werde ich dich einfach so hier sitzen lassen. Das Problem ist nur, dass ich selten mehr als sieben Stunden die Nacht schlafe. Und die haben wir schon überschritten.«
Das ergab doch alles keinen Sinn. Wollte er damit sagen, dass er schlafwandelte?
Madre de Dios,
wenn der Typ im Schlaf so drauf war, wollte Angelo ihm nicht im Wachzustand über den Weg laufen.
Der Wichser stieß tatsächlich einen Seufzer aus und schüttelte mitleidig den Kopf. »Das ist alles sehr verwirrend, ich weiß. Aber wir haben wirklich keine Zeit für Erklärungen. Es genügt wohl zu sagen, dass ich, wenn alle Stricke reißen und ich für diese Stunden ein Alibi vorbringen möchte, so tun werde, als hätte ich friedlich schlummernd im Bett gelegen. Und ich schlafe nie mehr als sieben Stunden. Verstehst du?«
Loco.
Er war völlig übergeschnappt.
Ohne eine Antwort abzuwarten, wrang der Mann seinen Lappen aus und wühlte in einem schwarzen Rucksack herum, den er mitgebracht hatte. Er zog etwas Langes, Gewundenes heraus. Ein Stromkabel.
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