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Der Klang des Verderbens

Der Klang des Verderbens

Titel: Der Klang des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leslie Parrish
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ließ, niemals Angst zeigte oder laut die Möglichkeit einer Niederlage eingestand. Doch während der Wochen und Monate, in denen sie den geheimnisvollen Mörder vom Sommer zu schnappen versucht hatten, hatte Ronnie abgenommen, war bleicher geworden, vielleicht sogar ein bisschen ausgezehrt. Ringe hatten sich ihr unter die ausdrucksstarken dunklen Augen gelegt, ihre hübschen Wangen waren eingefallen. Sie wirkte bekümmert, gequält von ihrer Ohnmacht, ein Rätsel zu lösen, das sie beide in den Wahnsinn trieb.
    Und sie hatte Albträume gehabt.
    In den paar Nächten, in denen sie tatsächlich einige Stunden lang im selben Bett geschlafen hatten, statt einfach nur wilden, atemberaubenden Sex zu haben und dann getrennter Wege zu gehen – immer ihre Entscheidung –, hatte er sie aufschreien hören, hatte gesehen, wie sie einen unsichtbaren Angreifer abwehrte, und wusste, dass sie im Schlaf ein schwarz gekleidetes Ungeheuer mit erhobenem Messer vor sich sah. Jeremy hatte sie dann immer in den Arm genommen und sie heiß und ungestüm geliebt, bis sie alles Elend dieser Welt vergaß und nur noch wahrnahm, wie gut sich ihr Zusammensein anfühlte. Aber er wusste, dass die düsteren Erinnerungen sie in all jenen Nächten quälten, in denen er nicht bei ihr war.
    Er hatte versucht, mit ihr darüber zu reden. Meistens hatte sie ihn abgewimmelt und darauf beharrt, dass es ihr gut ginge, hatte sich jedes Mal von ihm zurückgezogen, wenn er ihr helfen wollte, sich damit auseinanderzusetzen. Diese Frau lebte eine völlig neue Definition von Unabhängigkeit. Er kannte sie gut genug, um es nicht persönlich zu nehmen. Die Maschine hatte das Ganze nicht besser gemacht, aber in Wahrheit hatten sich ihre schlimmsten Dämonen, die sie am meisten quälten, in ihr eingenistet, lange bevor er die Bühne betreten hatte. Er hoffte bloß, dass er lange genug auf den Brettern blieb, um zu sehen, wie sie ausgetrieben wurden.
    Aber etwas konnte er in der Zwischenzeit tun. Diesmal konnte er an ihrer Stelle den bitteren Gang auf sich nehmen. Sie musste nicht immer so verdammt stark sein.
    »Diesmal mach ich’s«, sagte er zu ihr, als sie den kleinen Arbeitsraum betraten, den Dr. Cavanaugh für sie eingerichtet hatte. Es war derselbe, den sie bereits vorher genutzt hatten – zwei lange Tische mit einzelnen, topmodernen Arbeitsplätzen auf jeder Seite des Raumes. Weiter hinten lag in der Mitte diese harmlos aussehende weiße Matte, leicht erhöht und übersät mit Tausenden kleiner Punkte, die gleich leuchtende Bilder nach oben senden würden, um einen Zylinder aus falscher Realität um die Person im Inneren zu bilden.
    »Jeremy, ich wollte eigentlich …«
    »Ich weiß«, unterbrach er sie, streifte seine Uniformjacke ab und warf sie über eine Stuhllehne. »Aber diese Partnerschaft ist zurzeit ein wenig unausgeglichen, Sloan. Niemand hat dich zur Frau für die Drecksarbeit ernannt.«
    »Willst du mich jetzt etwa in Watte packen und mich von allem Übel dieser Welt fernhalten?«
    In Watte? Nichts läge ihm ferner. Und mit Sicherheit hatte das auch noch nie jemand bei Ronnie versucht – das hätte sie niemals zugelassen. Jedenfalls nicht nach dem Jahr 2017. Nicht seit ihre Welt in tausend Scherben zerbrochen war und der Großteil ihrer Familie auch.
    »Gott bewahre. Das würde mir nicht im Traum einfallen.«
    Vielleicht hatten ihr Vater und ihre Brüder sie früher ein bisschen verwöhnt – sie als einziges Mädchen, der freche Wildfang, der mit seinen Brüdern mitgehalten und dennoch Daddy um den kleinen Finger gewickelt hatte, zumindest hatte sie es ihm so einmal geschildert. Aber damit war es vorbei. Ronnie hatte fünf Jahre lang versucht, jede Spur von Milde – die sie wahrscheinlich als Schwäche ansah – aus ihrer Seele zu tilgen.
    Sie hatte es nicht geschafft. Denn neben ihrer Beharrlichkeit, ihrer Stärke und ihrer Intelligenz gab es dort Zärtlichkeit, Fürsorglichkeit und sogar einen Hauch von Optimismus.
    Allerdings würde er ihr das niemals auf die Nase binden. Das würde sie ihm gewiss nicht danken. Ronnie wollte nämlich nicht stark und tough sein und alle Verletzlichkeit ausmerzen, um irgendwen zu beeindrucken oder ihre Arbeit machen zu können. Bei ihr ging es ums Überleben. Ihr eigenes Überleben. Ronnie war am Verlust nahezu aller Menschen, die sie liebte, fast zerbrochen. Um sich vor Schlimmerem zu bewahren, verbot sie sich, irgendwen zu fest ins Herz zu schließen. So, dachte sie, konnte sie nie wieder ein solcher

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