Der Klang des Verderbens
gequält.
Schließlich hatte er sich eingestanden, dass es im Großen und Ganzen nichts brachte, diese Welt um Ortiz zu erleichtern. Das war vielleicht persönlich befriedigend, aber im Prinzip änderte es gar nichts.
Er
wollte
die Bullen mit dabeihaben, wollte ihnen die Bilder schicken, die in seinem Kopf eingesperrt waren. Bei dieser Sache musste es um mehr gehen als nur darum, den Abschaum zu beseitigen, und er wollte eine Debatte anstoßen, selbst wenn er später nicht mehr lebte, um daran teilzuhaben. Nur wenn sie herausfanden, wer er war und
warum
er das tat, würde er die ersehnte Aufmerksamkeit bekommen.
Am Ende hatte es nur eine Möglichkeit gegeben. Er beschloss, es darauf ankommen zu lassen. Während des Downloads schaute er Ortiz noch einmal beim Sterben zu. Er machte sein Filmchen und hängte es an zwei E-Mails, die mit zwei Wochen Verzögerung verschickt werden sollten. Mit einem einfachen Programm leitete er das Ding über Dutzende von Servern über den ganzen Globus weiter, damit es noch schwerer zurückzuverfolgen war. Erst abends, fast ganze vierundzwanzig Stunden, nachdem er losgelegt hatte, war er mit allem fertig.
Es war ein unheimliches Risiko. Glücklicherweise war ihm das Schicksal wohlgesonnen. Er hatte richtig geraten, und die Bilder jenes Tages wurden nicht angefordert. Er hatte sogar noch mehr Glück, die Bilder der beiden Tage davor und danach nämlich ebenfalls nicht … er hatte seinen gesamten Aufenthalt in Los Angeles vertuschen können.
Doch selbst ohne die OEP -Daten würden sie ihn irgendwann erwischen, das war ihm klar. Irgendjemandem würde es gelingen, diesen E-Mails nachzuspüren. Abgesehen davon war er kein Meisterverbrecher. Mit all den Mautquittungen, den Verkehrsüberwachungskameras auf den Highways und vielleicht einem Nachbarn, dem sein Mietwagen an dem Abend aufgefallen war, hatte er mit Sicherheit genügend Spuren hinterlassen, um sich zu verraten. Aber es würde eine Weile dauern. Bis dahin hätte er vollendet, was er sich vorgenommen hatte. All das wäre bald vorüber.
Seit er L.A. verlassen hatte, ließ er den Kalender nicht aus dem Auge und zählte jedes überwundene Hindernis ab. Nachdem er bei beiden Verbrechen die wöchentliche Back-up-Falle umgangen hatte, war ihm ein Seufzer der Erleichterung entfahren. Aber er war immer noch nicht auf der sicheren Seite gewesen. Er musste seine gespeicherten Daten vierzehn volle Tage lang aufbewahren. Jede einzelne davon konnte jederzeit eingefordert werden. Er könnte zwar behaupten, einen Fehler begangen und einen Tag aus Versehen zu früh gelöscht zu haben, aber das würde auf jeden Fall ihre Alarmglocken schrillen und ihn verdächtig wirken lassen. Und zwei Tage kamen gar nicht infrage.
Was für ein Geduldsspiel. Vierzehn Tage, und nie zuvor war die Zeit so langsam vergangen. Die Spannung war nahezu unerträglich gewesen. Jedes Mal, wenn das Telefon klingelte oder er eine E-Mail bekam, hatte er sich Sorgen gemacht, dass jemand in Bethesda eins und eins zusammengezählt hatte und Back-ups von jedem Teilnehmer verlangte.
Er hatte den 8. geschafft. Chicago war sicher.
Und vor ungefähr sechsunddreißig Stunden, um die vierzehnte Mitternacht nach seiner gewaltsamen Visite bei Ortiz, hatte er sich auch dieser Beweise entledigt. Er war aufgestanden, während seine Frau schlief, hatte gewartet, bis die Uhr zwölf schlug, und die letzten der visuellen Erinnerungen an seine Verbrechen vernichtet. Er hatte alle seine OEP -Back-ups vom 28. November gelöscht. Schließlich hatte er in dem Wissen, dass er die vorbereiteten Mails planmäßig abschicken konnte und sie nicht aufhalten musste, befreit aufgeatmet.
Ihm war freilich klar, dass auch diese Dateien wiederhergestellt werden konnten. Natürlich ging das; wahrscheinlich schaffte er das sogar selbst, also wären die Experten in Bethesda auf jeden Fall in der Lage dazu. Wenn nicht sie selbst, dann konnten sie jemanden vom FBI oder CIA damit beauftragen. Aber nun besaß er wenigstens einen gewissen Vorsprung. Er konnte mit Fug und Recht genau wie jeder andere Teilnehmer behaupten, dass er sich beim Löschen der Daten einfach nur an die Regeln hielt. Er würde keinen anklagenden Finger auf sich selbst richten, indem er der Einzige wäre, der die fraglichen Tage nicht abliefern konnte. Sie würden ihn auf irgendeinem anderen Wege als tatverdächtig identifizieren müssen, herkommen und die Festplatte selbst abholen müssen.
In Sicherheit. Vorerst. Und es gab kein
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