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Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Titel: Der kleine Bruder: Der kleine Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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dabei immer weiter auf seinem Baß herum. Der Mann am Bühnenrand dirigierte dazu im Bierdosenhagel die Menge oder ein unsichtbares Orchester oder was auch immer, und nur ab und zu traf ihn eine leere Dose oder ein Plastikfeuerzeug.
    Karls Weg endete an einem Tisch, hinter dem ein kleiner, dünner Typ stand und Dosenbier verkaufte, und als Karl mit seiner Palette dazukam, rief der kleine, dünne Typ “Endlich!«, obwohl hinter ihm noch viele Paletten Dosenbier derselben Sorte aufgestapelt waren. Dann gab er Karl Geld und Karl schrie ihm irgendwas ins Ohr, und Frank schaute lieber wieder zur Bühne, wo sich das Programm nicht groß geändert hatte, die Band spielte ihre brüllend laute Musik, und der Typ am Bühnenrand dirigierte ins Leere und die Menge bewarf das alles mit leeren Bierdosen.
    “Das ist Freddies Bruder«, brüllte Karl und klopfte Frank dabei auf die Schulter, “Frank, sag mal Hallo zu Klaus«, und Frank drehte sich um und sagte “Hallo« und schaute dann wieder zur Bühne, er konnte nicht anders, er mußte da immer wieder hingucken, es sah so grotesk aus, was da lief, und jetzt eskalierten die Dinge auch ein wenig, es flogen nun andere Dinge als nur leere Bierdosen, ein Schuh zum Beispiel, und langsam begann der Dirigent auf der Bühne auch richtig sauer zu werden, er hörte auf zu dirigieren und kickte wie wild die vielen auf der Bühne herumliegenden Bierdosen zurück ins Publikum, und dann nahm er den Mikrofonständer des Sängers und warf ihn hinterher, und der Sänger hörte daraufhin auf zu singen und schrie den Dirigenten an, woraufhin der von der Bühne sprang, den Mikrofonständer zwischen den Leuten aufsammelte, wieder hochwarf und dann zurück auf die Bühne stieg, was Frank sehr rätselhaft fand, warum hauen sie ihn nicht um, wenn sie ihn so hassen, fragte er sich, warum lassen sie ihn in Ruhe, wenn er unten ist, aber bewerfen ihn, wenn er oben steht, das ist doch widersinnig, dachte er, und er spielte mit dem Gedanken, ganz nach vorne zu gehen, um sich das mal alles etwas genauer anzusehen, als plötzlich Chrissie neben ihm stand.
    »Das ist H.R.«, schrie sie in sein Ohr. »Das ist H.R.«, wiederholte sie, »das Arschloch da auf der Bühne.«
    »Welches Arschloch?«
    »Der da rumhampelt! « Chrissie drehte sich zu Kar! und Klaus um. »Ich will mal ein Bier!« schrie sie.
    »Zwei Mark«, brüllte Klaus.
    »Du spinnst woh!!« schrie Chrissie zurück. »Gib mir ein Bier oder ich erzähl alles Erwin!«
    Klaus zuckte mit den Schultern und warf ihr eine Bierdose zu.
    Chrissie öffnete die Dose, nahm eillen Schluck und schrie dann in Franks Ohr: »Der andere, der da singt, das ist P. Imme!!«
    »Ich weiß!«
    Die Musik brach ab, nur der sturzbetrunkene Bassist hämmerte weiter auf seinem Instrument herum und torkelte dabei wieder nach vorne an den Bühnenrand. P. Im-mel gab ihm von hinten einen Tritt, und er fiel ins Publikum und verschwand. Der Dirigent versuchte, die Situation auszunutzen und dem Sänger den Mikrofonständer wieder wegzunehmen, aber der wollte ihn nicht hergeben, und so rangen die beiden unter dem Gejohle des Publikums, aber ohne Musikbegleitung miteinander herum, wobei P. Immel durch seine heruntergelassene Hose eindeutig im Nachteil war. Der Rest der Band mischte sich nicht ein.
    Anders Chtissie: Sie nahm einen Schluck aus ihrer Bierdose, stieß ein Geheul aus und warf sie dann mit einer ungeahnten Wucht auf die Bühne, wo sie dem Dirigenten auf die Brust klatschte und dabei weißen Schaum verspritzte. Der Sänger lachte. Der Dirigent ließ von ihm ab, hob die Bierdose auf und schleuderte sie zurück ins Publikum, genau in Franks und Chrissies Richtung. Das Geschoß kam in hohem Bogen herangesegelt, so hoch, daß Frank sicher war, daß es über ihn hinweggehen würde, aber er duckte sich vorsichtshalber dennoch, im Feld darf man kein Risiko eingehen, erinnerte er sich der Worte eines Fahnenjunkers aus seinem früheren Leben, und tatsächlich, die Büchse senkte sich über ihm ziemlich schnell ab, und im Umdrehen konnte Frank gerade noch sehen, wie sie Klaus, der gerade ein Bier verkaufte, kurz über dem Auge an der Stirn traf, und zwar mit solcher Wucht, daß sich sofort eine Platzwunde auftat und ihm Blut über das Gesicht schoß, bevor er auch nur die Hand davortun oder gar schreien konnte.
    Aber schreien tat er dann doch, und zwar ordentlich. Frank lief schnell zu ihm hin, ebenso Karl, während die Leute, die sich eben noch vor seinem Verkaufstisch gedrängelt

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