Der kleine Bruder: Der kleine Bruder
Frau.«
Der Saal war jetzt fast ganz leer, und Frank entschied, daß es sich nicht mehr lohnen würde, noch mehr Bier zu besorgen. Das Synthesizergefiepe und -ge brumme ging ungerührt weiter, und auch die Frau sang noch aus vollem Halse, aber es hörte kaum noch einer zu.
»Die heißt Edith!« schrie Chrissie zu ihm rüber, aber Frank ging darauf nicht ein, er zählte die Pappunterlagen der von ihm verkauften Bierdosenpaletten, um herauszufinden, wie viele Bierdosen er insgesamt verkauft hatte.
»Ich kenn die!«
»Mal ehrlich«, sagte Frank, »wenn du findest, daß das Scheiß ist, was die machen, warum ist es dann wichtig, daß du die Frau kennst?«
»Ich kenn die«, wiederholte Chrissie nur, »ich weiß aber nicht mehr, woher.«
»Soso! « sagte Frank.
»Soso!« echote es hinter Frank. Es war Erwin. »Soso!« wiederholte er. »Was ist denn hier los?!«
»Was soll schon los sein«, riefChrissie.
»Ist hier schon Feierabend?«
»Nein, die spielen doch noch!« rief Frank, aber genau in diesem Moment brach die Musik ab, und die drei auf der Bühne gingen weg.
»Und wo ist dann Klaus? Wo ist das Bier? Wo ist mein Geld?«
»Phantastisch!« rief der Mann, der H.R. genannt wurde und jetzt auch dazukam. »Phantastisch. Wo ist Klaus! Wo ist das Bier! Wo ist mein Geld! Herrlich, Erwin!«
»Das wird man ja wohl noch fragen dürfen!« rief Erwin aufgebracht.
»Wer ist das denn?« sagte H.R. und zeigte auf Frank.
»Das ist Freddies Bruder!«
»Freddies Bruder?«
»Ja, Freddies Bruder.«
“Ah, ach so, ja stimmt, das sieht man ja auch, der sieht ja auch aus wie Freddie, phantastisch, das wird ja immer besser!«
“Das Bier ist verkauft und das Geld habe ich!« sagte Frank zu Erwin. “Jedenfalls von dem Teil, den ich verkauft habe.«
“Stap!« schrie H.R. “Kein Wort mehr. Alle ins Büro!«
“Wieso denn?« sagte Erwin.
“Weil ich das aufnehmen will!«
“Weil du was aufnehmen willst?«
“Euer Gespräch! Das ist phantastisch!«
“Ich teet dir gleich in den Arsch!« sagte Erwin.
“Phantastisch«, sagte H.R. »Ich liebe dich, Erwin.«
»Ich dich nicht!« sagte Erwin. »Ich scheiß langsam mal auf diese Kunstkacke! «
»Super, das können wir doch alles im Büro besprechen«, sagte H.R. »Karl ist auch schon da!«
»Was hat Karl denn damit zu tun? Und wo ist überhaupt Klaus jetzt?«
»Das ist…«, wollre Frank erklären, aber H.R. unterbrach ihn.
»Nichts sagen«, sagte er zu Frank. »Nichts sagen. Es soll eine Überraschung sein!«
»Leck mich, H.R., dann gehen wir halt ins Büro«, lenkte Erwin schlecht gelaunt ein.
»Moment«, sagte Frank und hob die Palettenböden auf.
»Was willst du denn damit?« fragte Erwin.
»Das ist meine Abrechnung«, sagte Frank.
7. ABRECHNUNG
Als sie das Büro betraten, sahen sie als erstes Karls Hintern, sein Kopf steckte in einem Kühlschrank, und er schrie laut: »Immer dieses Scheißbier, das ist doch krank, krank ist das! «
Das Büro war nicht sehr groß, aber gerammelt voll mit Stühlen, Tischen, leeren Flaschen, Schränken, Kühlschränken, Kisten und Kästen und sonstigem Zeug, und an einer Stirnseite des Raumes lag jemand auf dem Boden und schnarchte die Wand an, Frank erkannte in ihm den Bassisten der Band Dr. Votz. Chrissie ging zu ihm hin und schaute ihn sich an. »Der arme Martin!« rief sie.
»Wußte gar nicht, daß du den kennst, Chrissie«, sagte Karl und kam mit rotem Kopf wieder hoch, »wenn das dein Onkel wüßte! Ah, da ist er ja, der Onkel! Und der neue Stern am Gastrohimmel ist auch da!«
»Ist mir doch scheißegal«, sagte Erwin, »das ist mir doch sowas von scheißegal, ich kann diese Onkel scheiße auch nicht mehr hören, Karl, der nächste, der Onkel sagt, fliegt raus!«
»Sag das gleich noch einmal«, rief H.R., der hier im Büro, im grellen Licht der Neonröhren, die von der Decke herunter alles kalt ausleuchteten, viel älter aussah, als Frank gedacht hatte. Er war jetzt dabei, einen Kassettenrekorder und ein Mikrofon auf dem Tisch aufzubauen, an dem Karl saß. »Ich muß irgendwo noch so ein Ding haben, noch so ein Mikro, mal sehen, mit zwei Mikros wäre es besser, dann wäre es stereo!«
»Was ist los, H.R., hast du mal wieder Kunstdrang?« sagte Karl und nahm das Mikrofon vor seinen Mund. »Kunst, Kunst, H.R., H.R., Kunst, Kunst« sprach er hinein.
»Ich hab jetzt keine Zeit für so einen Scheiß«, sagte Erwin, »ich will jetzt abrechnen und nach Hause, ich hab für so einen Scheiß überhaupt keine Zeit, weiß gar
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