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Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Titel: Der kleine Bruder: Der kleine Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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hatten, weiträumig zurückwichen, wie um dafür zu sorgen, daß alle etwas sehen konnten.
    Als Frank bei Klaus ankam, war Karl schon bei ihm und stützte ihn, denn Klaus war weiß wie die Wand, jedenfalls an den Teilen seines Gesichts, die nicht mit Blut bedeckt waren, und er taumelte hin und her. Die Band begann in diesem Moment wieder zu spielen.
    »Schock«, rief Frank, sich seiner Hilfssanitäterausbil-dung erinnernd, »Schock!«
    »Ja und?« riefKarl. »Was denn sonst!«
    »Flachlagern, schocklagern, ansptechen, was zu trinken geben, nicht rauchen«, begann Frank die 20 Schockregeln aufzuzählen, bin wohl selber nicht ganz bei mir, dachte er zugleich, aber Karl hörte sowieso nicht zu, sondern nahm Klaus hoch und legte ihn sich über die Schultern.
    »Der muß hier raus!« schrie er.
    »Ich helf dir!«
    »Nein«, schrie Karl. »Hilf nicht mir, hilf ihm!«
    »Wie das denn jetzt?«
    »Ich bring Klaus weg. Aber du mußt den Stand hier weitermachen, sonst klauen die Hippies das hier alles weg.«
    »Aber …«
    »Den Stand weitermachen. Zwei Mark die Dose!«
    »Aber …«
    »Zwei Mark die Dose!« wiederholte Karl und ging mit dem über seiner Schulter liegenden und dabei mit den Beinen strampelnden Klaus einfach weg. »Zwei Mark! Und paß auf, daß die Ärsche dich nicht beklauen.«
    Und dann war er verschwunden, und Frank war an seinem neuen Arbeitsplatz allein.
    Die Sache war nicht ganz so einfach, wie er zunächst dachte. Eine Dose Bier für zwei Mark, das kann nicht schwer sein, das kann jeder Depp, dachte Frank zunächst, aber noch bevor er das richtig zu Ende gedacht hatte, drängelten sich ganz schnell ganz viele Leute vor seinem Tisch und wollten Bier, gerade hatten sie noch etwas Abstand gehalten und Frank und Karl und Klaus und sein blutiges Drama begafft, doch kaum hatte sich die Menge hinter dem klausschleppenden Karl wieder geschlossen, brandete sie, so schien es Frank jedenfalls in seiner überreizten Wahr-nehmung, auch schon bierverlangend gegen seinen Tisch an, und Wechselgeld, fiel ihm in dem Moment ein, in dem die ersten Leute ihm Zehnmarkscheine entgegenhielten, hatte er auch nicht, und an der angebrochenen Palette auf dem Tisch begannen die ersten Leute herumzuzerren, man versuchte, ganz wie Karl es vorhergesehen hatte, ihn bzw. Klaus oder wen auch immer zu beklauen, also ging Frank erst einmal daran, sich Respekt zu verschaffen, das geht nicht ohne Gewalr, dachre er und haute mit einer Bierdose einem Kerl, der an der Plastikhülle seiner Dosenbierpalet-te herumzupfte, ordentlich was auf die Finger. »Zwei Mark«, rief er dann und kassierte in schneller Folge mit der rechten Hand mehrere ihm entgegengestreckte Münzen ab und steckte Bierdosen, die er mit der linken Hand aus der Palette zog, in die dazugehörigen Hände. Bald war die Palette auf dem Tisch alle, aber hinter ihm an der Wand waren ja noch viel mehr solcher Paletten, von denen er aber erst einmal nur eine an den Tisch holte, sich gleich mehrere auf einmal hinzustellen war ihm zu heikel, denn das war ihm schon klargeworden, daß man wegen der Klauer immer eine Hand auf der Palette haben mußte. Der Verteidiger des Privateigentums, dachte er, während er die Plastikfolie über den Bierdosen der neuen Palette an einer Seite aufriß, wandelt hier auf einem dünnen Eis, dachte er, und jetzt denke ich schon so, wie Martin Klapp sonst immer redet, dachte er außerdem und war allerdings, wie er erfreut feststellte, jetzt auch schon locker in der Lage, den Leuten auf ihre Scheine herauszugeben, er hatte schon die ganze rechte Hand voller Münzen und steckte davon erst einmal einen Teil in die Hosentasche, nahm mit links Scheine entgegen, zählte mit rechts Münzen in Handteller und wurde dabei nervös, weil er jetzt keine Hand mehr auf der Palette hatte, irgendwie war die Sache unübersichtlich, ihm war zuvor, als Klaus noch hier gestanden hatte, nicht aufgefallen, daß so viel zu tun gewesen war, Klaus hatte ja noch Zeit gehabt, mit Kar! zu quatschen und höchstens mal sporadisch eine Dose verkauft, wahrscheinlich ist bei Dr. Votz die Luft raus, dachte er, denn die Band spielte zwar noch, aber die Leute schienen sich nur noch fürs Saufen zu interessieren, vielleicht hat P. Immel die Hosen wieder hochgezogen, dachte Frank, oder endlich seinen Penis-Ohrring gezeigt oder was auch immer, dachte er und verkaufte und verkaufte, bis es ihm zu blöd wurde, sich ständig nach Nachschub umzudrehen, und er alle noch verbliebenen Bierdosenpaletten so

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