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Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Der kleine Bruder: Der kleine Bruder

Titel: Der kleine Bruder: Der kleine Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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neben sich auf dem Boden aufstapelte, daß er mit einem einzigen Handgriff eine neue Palette hochziehen und, die Hand im Plastiküberzug verkrallt, die Palette dabei so auf den Tisch schleudern konnte, daß sich dort, wo er sie festhielt, zugleich das Plastik öffnete, das macht die Sache eleganter und effektiver, fand er, und dann verkaufte und verkaufte er und dachte an gar nichts mehr, und tiefer Friede kam über ihn, er verkaufte wie in Trance und kam erst wieder zu sich, als längst eine andere Band als Dr. Votz spielte und es dadurch etwas ruhiger wurde und außerdem Chrissie auftauchte und ihn fragte, was er dort eigentlich mache und wo Klaus sei, und er ihr sagte, sie solle nicht die Ahnungslose spielen, sondern lieber fünfzig Mark nehmen und neues Bier vom Dö-ner-Imbiß holen. Da fiel ihm überhaupt erst auf, wieviel Spaß ihm das machte, daß er noch nie so viel Spaß und Befriedigung bei einer Arbeit empfunden hatte wie hier, bei dieser vollkommen hirnlosen, idiotischen Bierdosenver-klappung, wie er es in Gedanken nannte. Und auch als das Bier dann ganz alle und Chrissie noch nicht wieder zurück vom Döner-Imbiß war, und er also keine andere Wahl hatte, als herumzustehen und ein bißchen nachzudenken, konnte er sich das alles nicht erklären, aber das war ihm dann auch egal, Spaß ist Spaß, dachte er, man muß nicht alles erklären können, manchmal, dachte er in der fünfminütigen Zwangspause zwischen dem Verkauf der vorletzten Bierdose und dem Wiedererscheinen Chrissies, muß man die Dinge auch mal nehmen, wie sie kommen, jedenfalls die positiven, fügte er in Gedanken hinzu, auch mal positiv denken, sonst kommt man irgendwann drauf wie Wolli, dachte er, das ist wie mit dem Kudamm, dachte er, vielleicht ist er schlecht, aber vielleicht auch nicht, rauschte es ihm sinnfrei durch den erfrischend leeren Kopf, während er hinter seinem Tisch stand und die letzte Bierdose, die er für sich selbst zurückgehalten hatte, leerte und dazu eine Zigarette rauchte und sich die Band auf der Bühne anguckte, wenn das überhaupt eine Band war, denn soweit er es erkennen konnte, waren das wohl nur zwei Leute, und er war sich nicht sicher, ob man bei zwei Leuten überhaupt von einer Band sprechen konnte, und diese zwei Leute waren hinter irgendwelchen Synthesizern verschanzt und ließen sie fiepen und brummen und sonstwas. H.R., der Dirigent von Dr. Votz, der hier wohl eine Art Conferencier war, hatte sie eben gerade als “die wahre Weihnachtsmesse, weil die wahren Bettnässer« angekündigt, und nun also ließen sie es brummen und fiepen, und immer mehr Leute gingen raus oder kamen bei Frank an den Tisch und schauten ihn ratlos an, aber er achtete nicht darauf, sie konnten ja sehen, daß kein Bier mehr da war, was sollte er da mit ihnen reden, und oben kam nun noch eine Frau auf die Bühne und begann auf eine komische Weise und ohne richtigen Text zu singen, oder vielleicht ist das auch bloß eine ganz seltsame Sprache, dachte Frank, ohne daß es ihn besonders interessierte, die Musik, die da gegeben wurde, war seine Sache nicht, und dann kam endlich
    auch Chrissie wieder und hatte zwei Paletten Bier dabei, und das war auch höchste Zeit, denn die Leute liefen ja in Scharen aus dem Saal, vielleicht wegen der Musik, vielleicht aber auch, weil es kein Bier gab, und Frank wollte auf keinen Fall schuld daran sein, daß die drei da oben auf der Bühne bald kein Publikum mehr hatten, an mir soll es nicht liegen, dachte er, das werden die selber verantworten müssen.
    Chrissie knallte die Bierdosen auf den Tisch. »Der Arsch wollte mir keinen Rabatt geben«, brüllte sie in Franks Ohr. »Eine Mark pro Dose!«
    »Warum sollte er dir denn Rabatt geben?«
    »Weil wir Wiederverkäufer sind!«
    »Weil wir was sind?!« Die Punks werden auch immer komischer, dachte Frank.
    Chrissie antwortete nicht, sondern schaute sich die Band an. Frank verkaufte die Bierdosen, und es dauerte keine zehn Minuten, bis auch sie alle verkauft waren bis auf zwei, die Frank für sich und Chrissie reserviert hatte.
    »Was ist das denn für ein Scheiß?« brüllte Chrissie ihm ins Ohr, als er ihr die Dose reichte.
    »Was?«
    »Der Scheiß auf der Bühne da!«
    »Das ist die Weihnachtsmesse. Oder die Bettnässer oder beides oder was weiß ich.«
    »Woher weißt du denn sowas?«
    »Das hat der Typ gesagt, H.R., der hat die angekündigt.«
    »Ich kenn die Frau!«
    »Ja. Aber wir haben kein Bier mehr, willst du nochmal los?«
    »Ich kenn die

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