Der kleine Dämonenberater
mit jemanden unterhalten, während er so dahinging. Vielleicht sang er auch nur. Das machen Jungs doch, wenn sie sich mit jemandem verabredet hatten, oder? Vielleicht tickte er auch nicht richtig?
Zum hundertsten Mal an diesem Morgen widerstand sie dem dringenden Bedürfnis, Robert anzurufen und ihm zu sagen, daß er nach Hause kommen sollte.
-8-
ROBERT
Robert wuchtete den letzen Wäschekorb voller Geschirr auf die Ladefläche des Pick-up. Der Anblick einer Wagenladung voll sauberen Geschirrs wirkte sich auf seine Stimmung allerdings bei weitem nicht so positiv aus, wie er gehofft hatte. Er war immer noch niedergeschlagen, und er hatte noch immer Liebeskummer. Und einen Kater hatte er obendrein.
Einen Moment lang überlegte er, ob es nicht vielleicht ein Fehler gewesen war, das Geschirr zu waschen. Sicher, er hatte einen Schimmer von Glanz und Sauberkeit in sein Leben gebracht, doch dadurch erschien ihm der Rest nur um so finsterer und elender. Vielleicht hätte er einfach seine Talfahrt fortsetzen sollen wie ein Pilot, der den Steuerknüppel nach vorne drückt, um ein unkontrolliertes Trudeln zu beenden.
Insgeheim glaubte Robert fest daran, wenn alles so schlimm würde, daß er keinen Ausweg mehr erkennen könnte, würde irgendwas passieren, das ihn nicht nur vor der drohenden Katastrophe rettete, sondern seinem Leben insgesamt eine positive Wendung gab. Dieses schräge Vertrauen auf die Mächte des Schicksals war das Resultat jahrelangen Fernsehkonsums – wo keine Katastrophe schlimm genug sein konnte, als daß die nächste Werbeeinblendung dem nicht noch eins draufgesetzt hätte – sowie zweier Ereignisse in seinem Leben.
Als er noch ein Junge war und in Ohio wohnte, hatte er seinen ersten Ferienjob auf dem Rummel. Er mußte den Abfall von den Gehwegen auflesen. Die ersten beiden Wochen hatte er mächtig Spaß gehabt bei der Arbeit. Er und die anderen Jungs, die denselben Job hatten, waren den ganzen Tag lang die Wege entlanggeschlendert und hatten mit langen Stöcken, an deren Ende ein Nagel herausragte, Papierbecher und Einwickelpapiere von Hot Dogs aufgespießt und sich dabei gefühlt wie bei der Löwenjagd in der Serengeti. Am Ende eines jeden Tages wurde ihnen ihr Lohn in bar ausgezahlt. Am nächsten Tag verjubelten sie ihr Geld bei irgendwelchen Glücksspielen und endlosen Fahrten auf der Achterbahn – damals hatte Roberts Neigung, sich im Tausch gegen Geld Schwindelgefühle und Übelkeit einzuhandeln, ihren Anfang genommen und ihn seitdem sein ganzes Leben lang begleitet.
Am Tag nachdem der Rummel zu Ende war, wurden Robert und die anderen Jungs zu den Viehställen auf dem Festplatz bestellt. Sie erschienen noch vor Sonnenaufgang und wunderten sich, was sie nun tun sollten, nachdem die bunten Wagen und Karussells alle weitergezogen waren und die Gehwege so kahl waren wie Rollbahnen auf einem Flugfeld.
Der Mann von der Bezirksverwaltung traf sie vor der großen Scheune an, wo das Vieh während der Landwirtschaftsausstellung untergestellt war. Er hatte einen Müllwagen, mehrere Mistgabeln und einige Schubkarren dabei. »Macht die Ställe da sauber, Jungs, und kippt den Mist in den Laster«, hatte er gesagt. Dann war er gegangen und hatte die Jungs sich selbst überlassen.
Robert schaffte es gerade mal, drei Mistgabeln voll aufzuladen, bevor er und die anderen Jungs aus der Scheune rannten und nach Luft hechelten. Der Geruch von Ammoniak brannte ihnen in Nasen und Lungen.
Sie gaben sich redlich Mühe und unternahmen noch mehrere Anläufe, die Ställe dennoch auszumisten, doch der Gestank war einfach zu heftig. Als sie keuchend vor der Scheune standen und fluchten, bemerkte Robert etwas, das aus dem Morgennebel über dem Rummelplatz herausragte. Es sah aus wie der Kopf eines Drachen.
Es wurde allmählich hell, und die Jungs hörten ein Klappern und Scheppern, das zusammen mit seltsamen Tierlauten vom Rummelplatz herüberdrang. Froh über die Ablenkung von ihrer elenden Schufterei, starrten sie in den Nebel und versuchten auszumachen, was es war, das sich dort bewegte.
Als die Sonne durch die Baumwipfel im Osten des Festplatzes brach, trat ein dürrer alter Mann in blauen Arbeitskleidern aus dem Nebel und kam auf die Scheune zu. »He, Jungs«, rief er, und sie alle machten sich schon darauf gefaßt, zusammengeschissen zu werden, weil sie bloß herumstanden anstatt zu arbeiten. »Habt ihr Lust, für den Zirkus zu arbeiten?«
Die Jungs ließen die Mistgabeln fallen, als wären sie aus
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