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Der kleine Dämonenberater

Der kleine Dämonenberater

Titel: Der kleine Dämonenberater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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gänzlich verloren, ihre Zähne ganz und gar und außerdem ihre komplette Sammlung von Liberty Dimes. (Obwohl sie den Verdacht hatte, daß am Verschwinden der Münzsammlung wahrscheinlich eher einer ihrer Neffen – ein ausgesprochen nichtsnutziges Exemplar, von dem sie nie viel gehalten hatte – die Schuld trug und nicht der Tod.)
    Vor dreißig Jahren war sie ihren Uterus losgeworden, doch damals waren die Ärzte so versessen darauf gewesen, Frauen den Uterus rauszuschnippeln, daß es fast schien, als veranstalteten sie einen Wettbewerb, wer die meisten auf seinem Konto hatte. Also konnte sie den Tod auch dafür nicht verantwortlich machen.
    Der Verlust ihrer Gebärmutter hatte dazu geführt, daß auf ihrer Oberlippe ein Schnurrbart zu sprießen begann, den sie jeden Morgen, bevor sie in den Saloon ging, rasierte. Im Head of the Slug stakste sie auf zwei künstlichen Hüftgelenken aus Edelstahl herum, denn der Tod hatte sich auch ihre Hüften unter den Nagel gerissen, allerdings erst, nachdem sie damit ganze Legionen von Cowboys und Bauarbeitern beglückt hatte.
    Im Lauf der Jahre hatte Mavis also schon so viel an den Tod verloren, daß sie sich den Übergang in jene andere Welt inzwischen etwa so vorstellte, wie wenn man sich langsam in eine Badewanne heißen Wassers sinken läßt. Sie hatte jedenfalls nicht die geringste Angst davor.
    Als Robert das Head of the Slug betrat, thronte Mavis auf ihrem Barhocker hinter dem Tresen und rauchte eine Taryton Extra Long wie die Königin der Lippenstift-Echsen. Immer, wenn sie ein paarmal an ihrer Zigarette gezogen hatte, trug sie eine neue dicke Schicht ihres feuerwehrroten Lippenstifts auf, wobei ihre Trefferquote erstaunlich hoch war. Wann immer sie eine ihrer Tarytons ausdrückte, besprühte sie ihr abgrundtiefes Dekollete und ihre Ohrläppchen mit einer Prise Midnight Seduction aus dem Zerstäuber, den sie immer neben ihrem Aschenbecher stehen hatte. Gelegentlich, wenn sie sich einen Bushmill's zuviel genehmigt hatte, verfehlte sie ihr Ziel und sprühte das Parfum direkt in ihr Hörgerät, das dann mit einem Kurzschluß seinen Geist aufgab, weswegen sich die Gäste die Seele aus dem Leib schreien mußten, um an ein Getränk zu kommen. Zur Vermeidung dieses Mißstandes hatte ihr ein wohlmeinender Gast einmal ein Paar Ohrringe in Form von Weihnachtsbäumen geschenkt – eigentlich waren es Lufterfrischer mit dem Duft funkelnagelneuer Autos –, doch Mavis ließ sich nicht beirren. Für sie gab es nur Midnight Seduction und sonst nichts, und so bekamen die Weihnachtsbäume einen Ehrenplatz an der Wand, neben den Namensplaketten der Sieger des alljährlichen Poolturniers und Chilliwettbewerbs, das unter dem Namen Slugfest zu den Großereignissen des Ortes zählte.
    Robert blieb an der Bar stehen und versuchte, seine Augen an das schummrige Licht zu gewöhnen.
    »Was kann ich für dich tun, Süßer?« fragte Mavis und klimperte mit ihren falschen Wimpern hinter den flaschenbodendicken Gläsern ihrer straßbesetzten Brille. Robert erinnerte dieser Anblick an Spinnen, die versuchten, aus einem Einmachglas zu entkommen.
    Er fingerte nach der Zehndollarnote in seiner Tasche und kletterte auf einen Barhocker. »Ein Bier vom Faß, bitte.«
    »Braucht dein Kater was zu trinken?«
    »Sieht man's mir an?« fragte Robert ernsthaft.
    «Nicht sonderlich. Ich wollte dich aber schon fragen, ob du vielleicht die Augen zumachen kannst, bevor du mir hier alles vollblutest.« Mavis kicherte wie ein um Koketterie bemühter Wasserspeier, um gleich darauf in einen wüsten Hustenanfall auszubrechen. Sie zapfte einen Krug Bier, stellte ihn vor Robert auf den Tresen, nahm seinen Zehner und legte ihm statt dessen neun einzelne Dollarnoten hin.
    Außer bei besonderen Gelegenheiten war die Bar in ein eher trübes Licht getaucht, lediglich die Lampen über den Pooltischen leuchteten hell, und Robert hatte noch immer seine Probleme, etwas zu erkennen. Es fiel ihm auf, daß er noch nie den Fußboden des Saloons gesehen hatte. Er wußte nur, daß einem die Schuhe daran festklebten. Gelegentlich ließ ein Knirschen erahnen, daß man auf ein Stück Popcorn oder eine Erdnußschale getreten war, ansonsten blieb der Fußboden des Head of the Slug ein im Trüben liegendes Geheimnis. Was immer sich dort befand, war gut aufgehoben, wo es war, und man stellte diesbezüglich besser keine Fragen, sondern ließ es sich in Ruhe entwickeln, bis es eines Tages mit blinden Augen und bleicher Haut von dort unten

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