Der kleine Dämonenberater
weichen Oberfläche der Erdnußbutter in jedem einzelnen Glas stand zu lesen: »Hilfe, ich bin gefangen im Supermarkt der Hölle!«
Es war Robert, der die Regale mit den Gläsern auffüllte. Insofern war Leugnen zwecklos. Er hatte diese Botschaften geschrieben, nachdem er sich bei einer Nachtschicht mehrere Flaschen codeinhaltigen Hustensaft, die er aus den Regalen geklaut hatte, hinter die Binde gekippte hatte.
»Holen Sie sich am Freitag Ihren Scheck ab«, sagte der Manager.
Und so schlich Robert davon. Er hatte keinen Job mehr, war pleite und zweitausend Meilen von zu Hause. Ein Vollversager im Alter von neunzehn Jahren. Als er zur Tür des Ladens hinausging, hielt ihn eine der Kassiererinnen, eine ziemlich hübsche Rothaarige, die etwa in seinem Alter war, an.
»Du heißt Robert, richtig?«
»Ja«, sagte er.
»Du bist Fotograf, richtig?«
»War ich mal.« Robert hatte nicht die geringste Lust auf irgendwelches Geplauder.
»Na ja, ich hoffe, es stört dich nicht«, sagte sie, »aber ich habe deine Mappe gesehen. Sie lag irgendwann mal morgens im Pausenraum, und ich habe sie mir angeschaut. Du bist wirklich gut.«
»Ich fotografiere nicht mehr.«
»Ach, das ist aber echt schade. Ich hab 'ne Freundin, die am Samstag heiratet, und die braucht einen Fotografen.«
»Paß auf«, sagte Robert. »Ich finde es wirklich nett, daß du an mich gedacht hast, aber ich bin gerade gefeuert worden, und jetzt fahre ich nach Hause und lasse mich vollaufen. Außerdem sind meine Kameras im Leihhaus.«
Das Mädchen lächelte ihn an. Ihre blauen Augen waren einfach unglaublich. »Was du hier gemacht hast, war doch sowieso unter deinem Niveau. Wieviel kostet es denn, deine Kameras auszulösen?«
Sie hieß Jennifer. Sie gab ihm das Geld, damit er seine Kameras aus dem Pfandhaus holen konnte, lobte seine Fähigkeiten über den grünen Klee und redete ihm gut zu weiterzumachen. Robert begann Hochzeiten und Bar-Mizwas zu fotografieren, doch es sprang nicht genug dabei heraus, um seine Miete zu bezahlen. Es gab in Santa Barbara einfach zu viele gute Fotografen, die sich gegenseitig den Job wegnahmen.
Er zog zu ihr in ihr winziges Studioapartment.
Es dauerte nur ein paar Monate, bis sie verheiratet waren und nordwärts nach Pine Cove zogen, wo es weniger Konkurrenz für Robert gab.
Wieder einmal hatte Robert einen absoluten Tiefpunkt in seinem Leben erreicht, und wieder einmal hatte das Schicksal ihm eine wundersame Rettung beschert. Jennifers Liebe und Hingabe schliffen die Kanten und Ecken ab. Er hatte mit ihr ein prima Leben gehabt. Bis vor ein paar Tagen.
Es war, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen, und er taumelte im freien Fall abwärts. Der Versuch, die Lage durch Planung in den Griff zu bekommen, würde seine unvermeidliche Rettung nur verzögern. Je schneller er am Boden aufprallte, so überlegte er, desto eher würde sich sein Leben zum Besseren wenden.
Es war bisher noch jedesmal so gewesen – alles war noch schlimmer geworden, nur um anschließend wieder besser zu werden. Eines Tages würde es wieder bergauf gehen und die ganze Pferdescheiße des Lebens sich in einen Zirkus verwandeln. Robert war voller Vertrauen darauf, daß es so und nicht anders kommen würde. Aber um sich aus der Asche zu erheben, mußte er erst am Boden zerschellen und in Flammen aufgehen. Diesen Gedanken im Kopf, nahm er seine letzten zehn Dollar und machte sich auf den Weg zum Head of the Slug Saloon.
-9-
THE HEAD OF THE SLUG
Mavis Sand, der Besitzerin des Head of the Slug Saloon, lugte der Sensenmann schon so lange über die Schulter, daß sie ihn mittlerweile wie einen alten Pullover betrachtete, den man aus lieber Gewohnheit und weil er nun gar zu bequem ist, immer wieder anzieht. Sie hatte schon vor langer Zeit ihren Frieden mit dem Tod geschlossen, und jener hatte im Gegenzug eingewilligt, lediglich von Zeit zu Zeit an Mavis Lebensfaden herumzuschnippeln, anstatt ihn auf einmal ganz durchzuschneiden.
Sie war mittlerweile siebzig Jahre alt, und inzwischen hatte der Tod sich ihren rechten Lungenflügel geschnappt und die Linsen ihrer beiden Augen samt Katarakten. Der Tod hatte ihre Aortenklappe, doch dafür hatte Mavis ein kleines Wunderwerk aus Stahl und Kunststoff, das sich öffnete und schloß wie die automatischen Türen des Supermarktes. Der Sensenmann hatte ihre Haare, und statt dessen hatte Mavis eine Perücke aus Polyester, die ihre Kopfhaut reizte.
Dazu hatte sie ihr Hörvermögen fast
Weitere Kostenlose Bücher