Der kleine Dämonenberater
träufelte Bella verschiedene Öle in ihr Badewasser. »Als du deinen Mann umgebracht hast, hast du da gar nichts daraus gelernt? Destruktion ist eine typisch männliche Verhaltensweise.«
Rachel war wie vor den Kopf geschlagen. Sie hatte Bella von dem Flugzeugabsturz erzählt, aber nicht, daß sie es gewesen war, die ihn verursacht hatte. Davon hatte sie niemandem auch nur ein Wort verraten.
Schließlich blickte Bella zu ihr auf. »Wenn du willst, kannst du bleiben. Ich liebe dich noch immer.«
»Ich gehe lieber.«
»Das tut mir leid, Rachel. Ich dachte eigentlich, daß du eine höhere Bewußtseinsstufe erreicht hättest.« Bella streifte ihren Morgenmantel ab und stieg in die Badewanne. Rachel stand in der Tür und starrte sie an.
»Ich liebe dich«, sagte sie.
»Das weiß ich, Liebe. Aber jetzt geh und pack deine Sachen.«
Der Gedanke daran, in Berkley zu bleiben, war Rachel unerträglich. Wo sie hinkam, stieß sie auf Dinge, die sie an Bella erinnerten. Sie packte alles, was sie hatte, in ihren VW-Bus und fuhr einen Monat lang kreuz und quer durch Kalifornien, auf der Suche nach einem Ort, wo sie sich niederlassen konnte. Eines Morgens, als sie beim Frühstück saß und die Zeitung las, fiel ihr Blick auf eine Spalte mit der Überschrift »Fakten über Kalifornien«. Es war nichts weiter als eine Liste, in der die Leser über obskure Tatsachen aufgeklärt wurden, so zum Beispiel, welcher Distrikt in Kalifornien die meisten Pistazien produziert (Sacramento), wo man die besten Aussichten hat, daß einem das Auto gestohlen wird (North Hollywood), und mitten in diesem Sammelsurium statistischer Daten, die völlig bedeutungslos schienen, stand auch zu lesen, welcher Ort in Kalifornien den höchsten Prozentsatz geschiedener Frauen hatte (Pine Cove). Nun wußte Rachel, welches Ziel sie ansteuern mußte.
Nun, nach fünf Jahren, war sie fest in die Gemeinde integriert – gepackt von den Frauen, gefürchtet, begehrt und begeifert von den Männern. Sie hatte sich Zeit gelassen und nichts überhastet. In ihren Zirkel hatte sie nur solche Frauen aufgenommen, die auf sie zugekommen waren – meistens standen diese Frauen kurz davor, ihren Mann zu verlassen, und suchten etwas, das ihnen während des Scheidungsprozesses Rückhalt bot. Und Rachel gab ihnen diesen Rückhalt. Als Gegenleistung konnte sie auf die Loyalität ihrer Klientel zählen. Es war nun gerade sechs Monate her, seit sie das dreizehnte und damit letzte Mitglied des Zirkels eingeführt hatte.
Nun endlich war sie in der Lage, die Rituale und Zeremonien durchzuführen, die sie sich in mühevoller Arbeit von Bella angeeignet hatte. Jahrelang schien es, als seien sie unwirksam, und Rachel hatte ihren Mißerfolg damit erklärt, daß der Zirkel nicht vollzählig war. Nun beschlich sie der Verdacht, daß die Erdmagie, die sie zu beschwören versuchte, einfach nicht funktionierte – daß die Macht, die sie zu erringen versuchte, gar nicht existierte.
Ihr Einfluß auf die Mitglieder ihres Zirkels war so groß, daß diese Frauen auf ihr Geheiß versucht hätten, alles mögliche zu beschwören. Darin lag eine gewisse Macht. Rachel konnte Männer dazu bewegen, ihr gefällig zu sein, und es kostete sie allenfalls einen verführerischen Blick. Auch darin lag eine gewisse Macht. Aber das war ihr nicht genug. Sie wollte wirkliche Macht.
Rachels Verlangen nach Macht hatte Catch schon am Nachmittag im Head of the Slug gespürt. Sie strahlte die gleiche Skrupellosigkeit aus wie die Meister, denen er vor Travis gedient hatte. Und so kam es, daß der Dämon in dieser Nacht Rachel aufsuchte, die im Dunkel ihrer Hütte lag und sich den Kopf über ihre Unfähigkeit zerbrach.
Aus schierer Gewohnheit hatte sie die Tür abgeschlossen. Einen konkreten Anlaß dazu gab es eigentlich nicht, denn in Pine Cove geschahen so gut wie keine Verbrechen. Gegen neun Uhr hörte sie, wie jemand den Türknauf herumdrehte, und sie richtete sich in ihrem Bett auf.
»Wer ist da?«
Anstelle einer Antwort bog sich die Tür langsam nach innen durch, bis der Türpfosten zu splittern begann und schließlich ganz durchbrach. Die Tür öffnete sich, doch dahinter war niemand zu sehen. Rachel zog sich die Decke bis zum Kinn und verkroch sich in die hinterste Ecke ihres Bettes.
»Wer ist da?«
Aus der Dunkelheit kam ein tiefes Knurren: »Hab keine Angst. Ich werde dir nichts tun.«
Der Mond stand strahlend hell am Himmel. Wenn jemand dagewesen wäre, hätte sie eigentlich seine Silhouette im
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