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Der kleine Fluechtling

Der kleine Fluechtling

Titel: Der kleine Fluechtling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Vespa?
    »Langsam hab ich die Schnauze voll von dem garstigen Konstruktionsbüro in der Werft«, sagte Ulrich auf Höhe vom Grabmeier Keller, der auf halbem Weg zwischen Deggendorf und Metten lag.
    »Suchst dir was anderes?«, fragte Gerda.
    Ulrich seufzte. »Hier im Umkreis wird sich kaum was finden lassen.«
    Das triste Ergebnis der von Ulrich bereits angestellten Nachforschungen war, dass es in ganz Niederbayern keine einzige Firma gab, die für ihn in Frage kam. Bedrückt hatte er vor zwei Wochen die Zahnradfabrik in Passau als ungeeignet abgehakt, drei Tage später Eicher Traktoren und Landmaschinen in Landau verworfen und vergangenen Samstag die Motorenfabrik Hatz in Ruhstorf.
    »Unbestritten«, erklärte Ulrich, als sie Burgels Lebensmittelladen passierten, »die wirklich attraktiven Unternehmen sitzen in Mannheim, Frankfurt und Bremen.« Er schaute Gerda abwägend an. »Und was sollte mich auch noch halten zwischen Donau und Bayerwald? Die Hafenband is passé, die Gefährten verkriechen sich. Und ich werd halt mein Glück anderswo suchen müssen.«
    Bald darauf reichte er ihr vor der Villa Katherina die Hand zum Abschied und ging davon.
    »Willst du nicht lieber den Bus nehmen?«, rief Gerda ihm nach.
    Er hob abwinkend die Hand.
    »Jetzt läuft er den ganzen Weg wieder zurück«, murmelte Gerda und humpelte auf schmerzenden Füßen ins Haus.
    »Gerda«, hechelte Frau Bekkler am Montagmorgen, »Dieter hat kurzfristig um Urlaub nachgesucht – dringende Familienangelegenheiten –, das bedeutet, du musst heute zusätzlich auch in der Herrenabteilung aushelfen.«
    Gerda hetzte den ganzen Tag treppauf, treppab.
    Bei Geschäftsschluss wartete Ulrich am Personalausgang auf sie, und erneut wanderten sie zu Fuß nach Neuhausen.
    »Wer hat dich denn da heut heimbracht«?, fragte Anna Langmoser ihre Tochter beim Abendessen.
    Stirnrunzelnd hörte sie sich Gerdas Antwort an.
    »Ein Böhmack«, sagte sie dann abfällig. »Und anzogen is er wie die polackischen Gurkenpflücker vom Onkel Willi sein Flieger. Der schaut aus, als könnt er sich beim Bekkler nicht mal ein Taschentuch leisten.«

5
    Die Hafenband war passé, weil der Bandleader und Saxophonist seinen Kummer in Alkohol ertränkte (seine Angebetete hatte ihm ohne Angabe von Gründen den Laufpass gegeben und war verschwunden), weil der Klavierspieler Prioritäten setzen musste (seine Braut hatte ihn vor die Wahl gestellt: ich oder die Band), weil halt nichts so bleibt, wie es ist, und weil Gott möglicherweise doch würfelt (oder der Teufel).
    Ein paar Wochen vor dem letzten Auftritt der Hafenband hatte Minna Carmens Hochzeitsdatum im Kalender rot angekreuzt. Sie hielt es für schicklich, dass ihre Tochter mit dem Heiraten bis zur Volljährigkeit wartete, und Carmen hatte sich wie immer Minnas Diktat gefügt. Allerdings hatte sie den dringlichen Wunsch geäußert, eine Maihochzeit zu feiern, weshalb der Termin ein zusätzliches halbes Jahr hinausgeschoben werden musste.
    An einem Maitag des Jahres 1965 sollte Carmen also das in den Schoß fallen, worum jedes Mädchen im ganzen Landkreis sie beneiden würde. Kein splitternder Spiegel, keine schwarze Katze ließen Minna eine Warnung zukommen, weshalb sie nicht den Hauch einer Ahnung hatte, dass Wolli Carmens glänzende Aussichten bereits vernichtet hatte.
    Er hatte sich für die Zurückweisung, für die Schmach, für die Demütigung an Carmen gerächt. Und vor Schadenfreude hätte er wohl Purzelbäume geschlagen, wäre ihm zu Ohren gekommen, wie seine Rache Carmen ins Elend stürzen sollte.
    Wolli hatte sich entschlossen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Carmens Bestrafung sollte ihm gleichzeitig den Genuss verschaffen, den sie ihm monatelang verweigert hatte. Allerdings hatte er sich auch vorgenommen, kein Risiko einzugehen. Zweifellos würden sie alle zusammen die Augen offen halten. Dieser Lackaffe von Brauerei-Kerl und seine vier Trabanten, sagte sich Wolli, rechnen sicherlich mit einem raschen Konterschlag.
    Sollten sie nur. Wolli konnte warten. Irgendwann begann ihm das Warten sogar Spaß zu machen, weil es ihm Zeit gab, seinen hübschen Plan mit immer neuen Details zu versehen.
    Eines sonnigen Donnerstags, fast ein Jahr nach seinem schmachvollen Abzug aus dem Café Mitterwallner, hielt er seine Zeit für gekommen. Lässig fuhr er in seinem VW Käfer bei der Straubinger Stadtverwaltung vor, und dessen gewiss, dass sie bald Dienstschluss haben würde, freute er sich auf Carmens Erscheinen.
    Kaum hatte

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