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Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Titel: Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz , Joja Wendt
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alles verschlingender Zorn baute sich in ihr auf. Der Orgelpunkt wurde zu einem gewaltigen Brausen; außer sich vor Wut richtete sie eine ihrer mächtigen Pfeifen auf den immer noch spielenden Flügel und blies, einem Sturm gleich, einen mächtigen Strahl konzentrierter Luft auf den Aufsässigen. Im Bruchteil einer Sekunde wurde der Abtrünnige von der ungeheuren Kraft des Luftstrahls erfasst, emporgehoben, schwebte kurz inmitten der Halle hoch oben in der Luft und wurde dann durch eine der oberen Öffnungen hinaus aus dem Turm katapultiert und schließlich in die Tiefe gerissen.
    Während des Sturzes schien sich für den Flügel die Zeit zu verlangsamen. Wie in Zeitlupe nahm er noch wahr, wie seine äußere Holzverkleidung am Rande der steinernen Öffnung entlangschrammte. Er hörte Theodora brüllen: «Bringt mir einen neuen Flügel! So schnell es geht!», sah den Turm hinter sich, den dunklen Himmel und den felsigen Boden.
    Dann ging auf einmal alles sehr schnell. Der tapfere Flügel spürte den eisigen Wind der Ebene – und stürzte dem Erdboden und seinem sicheren Ende entgegen.

[zur Inhaltsübersicht]
    Neue Freunde
    D er Flügel fiel und erwartete seinen Tod.
    Gleich würde er auf dem felsigen Boden der Ebene zerschellen. Unter sich sah er noch etwas Helles aufblitzen, dann gab es einen gewaltigen Ruck. Sein Sturz wurde abrupt gebremst; etwas gab unter ihm nach, dehnte sich, zerriss mit einem hässlichen Geräusch, und mit einem höllischen Gepolter knallte der Flügel schließlich auf den Boden. Etwas zerbeult und verschrammt, aber im Großen und Ganzen unversehrt, stand er nun inmitten einer Wolke aus Staub, bedeckt von den Resten einer Zeltplane, und staunte, dass er noch lebte.
    Und als sich der Staub schließlich lichtete, sah der Flügel vor sich drei Gestalten: eine E-Gitarre, einen E-Bass und einen kleinen Synthesizer.
    «Alles Gute kommt von oben», sagte die E-Gitarre.
    «Krass», brummte der Bass.
    «Abgefahren», fiepte der Synthesizer. «Gut, dass wir hier draußen gerade ein wenig gejammt haben. Sonst wären wir jetzt Instrumentenbrei.»

    Der Flügel schüttelte sich. Was für ein Glück! Er hatte den Sturz aus dem Turm überlebt, weil er mitten auf einer Art Zelt gelandet war, das ihn mehr oder weniger weich aufgefangen hatte, dabei aber komplett zusammengebrochen war.
    «Cool, das ist ein Flügel», sagte die E-Gitarre und schwebte etwas näher an den Flügel heran. Sie war schwungvoll geformt, ihr Korpus erinnerte an die Heckflossen einer großen Limousine.
    «Hey, damit das klar ist: Auch wenn du Flügel heißt, bedeutet das nicht, dass du wie ein Vogel fliegen kannst, Mann. Hat dir das noch keiner gesagt?»
    Der Flügel konnte noch immer nicht antworten; eben hatte er dem sicheren Tod ins Auge gesehen, und jetzt stand er hier beinahe unversehrt vor drei anderen Instrumenten.
    Aber war wirklich alles in Ordnung mit ihm? Funktionierten alle Tasten und Saiten? Seine komplizierte Mechanik? Konnte er noch spielen? Spontan fiel ihm ein Lied ein, das Bernhard Ogermann und er immer gespielt hatten, wenn sie jemanden aufheitern wollten, eine Etüde in cis-Moll mit wunderschönen Harmonien und ineinander verwobenen Melodien. Er beschloss, es zu versuchen. Unsicher, ob sein Innenleben noch dazu in der Lage war, setzte er behutsam seine noch intakten Hämmer in Bewegung, und eher getupft als geschlagen, strebten die Töne ins Freie.
    «Er spielt», bemerkte der Synthesizer.
    «Scharfsinnig beobachtet», sagte die E-Gitarre. «Wär’ ich nie draufgekommen.»
    «Klingt gut», erwiderte der Synthesizer ungerührt. Er hatte sich an die scharfe Zunge der Gitarre längst gewöhnt.
    Der Bass, ein solides Instrument mit massivem, glänzend lackiertem Holzkorpus und vier dicken Saiten, sagte gar nichts, lauschte nur aufmerksam und gab dann vorsichtig mit ein paar tiefen Noten den zaghaften Harmonien des Flügels Halt.
    Warm und weich verband sich nun sein solider Ton mit den zarten Klängen des Flügels und bereitete ihm ein sicheres Fundament. Erstaunt und beglückt nahm der Flügel wahr, dass sich jemand musikalisch zu ihm gesellt hatte. Sein Spiel wurde immer sicherer. Am Ende der Etüde, vor dem Schlussakkord, hielt er dann einen Moment inne, als hätte er Angst vor der Stille nach dem Stück. Der Bass aber füllte die Leere sofort mit einer kleinen Improvisation, bevor sie gemeinsam das Stück beschlossen. Beiden Instrumenten war in diesem Moment nicht klar, dass dies der Beginn einer wunderschönen,

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