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Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition)

Titel: Der kleine Flügel: Eine phantastische Geschichte mit Musik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kester Schlenz , Joja Wendt
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langen Freundschaft war.
    Der Synthesizer und die E-Gitarre spendeten spontan Beifall.
    «Na, das ist auch eine gute Möglichkeit, hallo zu sagen», bemerkte die E-Gitarre. «Einfach losspielen. Das mögen wir, Mann. Aber dennoch: Kannst du uns bitte jetzt kurz mal erklären, warum du aus diesem verdammten Turm heraus mitten in unser schönes Zelt gekracht bist? Nicht, dass wir neugierig sind, aber so ein zerstörtes Heim wirft dann ja doch ein paar Fragen auf.»

    Der Flügel rollte mühsam aus den Trümmern des Zeltes heraus, räusperte sich und sagte: «Also, das kam so …»
    Und dann gab er den drei Instrumenten eine Zusammenfassung seiner bisherigen aberwitzigen Erlebnisse, vom Lützenrieder Auktionshaus bis zum Sturz aus dem Turm.

    «Krass», brummte der Bass.
    «Wow», sagte die E-Gitarre.
    «Fette Story», bestätigte der Synthesizer.
    «Und jetzt», sagte der Flügel lächelnd, «seid ihr dran. Wer seid ihr, und was macht ihr hier außerhalb des Turmes?»
    «Wir sind», antwortete die E-Gitarre, «ebenso wie ihr klassischen Kollegen ganz besondere Instrumente aus der Menschenwelt. Die Orgel hat uns, besessen von dem Gedanken, die besten und teuersten Exemplare aller Gattungen zu besitzen, ebenfalls herschaffen lassen. Wir kennen das also gut, diesen sonderbaren Übergang hierher in diese Welt. Stimmt’s, Leute?»
    «Kennen wir», brummte der Bass.
    «Erinnere mich nicht daran», fiepte der Synthesizer. «Ich hab mir vor Angst fast in die Oszillatoren gemacht.»

    «Darf ich nun also vorstellen?», fuhr die E-Gitarre fort und zeigte auf den Bass. «Das hier ist ein echt seltenes Instrument. Ein Fender Precision Bass, den der legendäre Leo Fender 1951 eigenhändig gebaut hat. Satter Klang, super Verarbeitung. Ich weiß, wovon ich rede. Schließlich hat der alte Leo auch mich gebaut. Ich bin eine Fender Stratocaster aus dem Jahre 1965. Auf mir hat der legendäre Jimi Hendrix gespielt. Super Typ. Etwas durchgeknallt, aber ein Genie. Irgendwann hat er mich bei einem Konzert sogar mal angezündet. Hier, man sieht den Brandfleck noch. Seitdem bin ich 50000 Dollar teurer geworden. Versteh einer die Menschen. Ja, und da wir beide Fenders sind, nennen wir mich Strato und den Bass einfach Fendi.»
    Der Synthesizer räusperte sich.
    «Ach, sorry», rief Strato. «Natürlich, jetzt bist du an der Reihe, Kumpel. Das hier ist ein Minimoog, der erste Kompakt-Synthesizer, der 1970 auf den Markt kam.»
    Der Flügel sah seinen entfernten Verwandten aufmerksam an. Eigentlich war der Minimoog nur eine Tastatur, auf der eine Platte mit unzähligen Knöpfen angebracht war. Sonderbar.
    «Unser Freund hier», fuhr die Gitarre fort, «ist der Prototyp, den der alte Robert Moog persönlich zusammengebaut hat. Ein echt seltenes Exemplar. Voll teuer, das Teil. Auch wenn der Kleine darunter leidet, dass er nur monophon ist, also nur mit einer Stimme spielen kann. Dafür kann er Klänge erzeugen, von denen träumst du, Mann. Wir nennen den Knaben einfach Moog.»
    «Polyphonie wird überschätzt», sagte Moog schnippisch.
    «Aber wenn euch die Orgel geholt hat», fragte der Flügel, «warum seid ihr dann nicht im Turm?»
    «Ganz einfach», antwortete die E-Gitarre. «Die Orgel will uns vor allem besitzen, weil wir teuer und selten sind. Aber sie hat schnell gemerkt, dass sie mit uns nichts anfangen kann. Wir störten nur unter all den erhabenen Klassik-Kollegen. Also hat sie uns und ein paar anderen dieses Zeltlager hier unweit des Turmes bauen lassen. Und hier leben wir nun. Haben Schutz vor Wind und Regen …»
    «Hatten Schutz vor Wind und Regen», unterbrach ihn der Minimoog mit einem Seitenblick auf das zerstörte Zelt.
    «Ach, wir rücken einfach zusammen. Dann geht das schon», antwortete Strato. «Hinten bei Harp im Zelt ist doch noch Platz.»
    «Harp?», fragte der Flügel.
    «Das ist die erste Mundharmonika von Bob Dylan, dem berühmten Folksänger. Die jammt da hinter dem Felsen mit einer sehr teuren akustischen Gitarre. Die haben noch gar nichts von deinem kleinen Flug mitbekommen. Und der blinkende Kasten, der da vorn angeflogen kommt, ist ein Sampler, ein Denon DN-X1500. Das ist sozusagen die Generation nach uns. Der kann aufgenommene Töne verändern und auf Knopfdruck wiedergeben. Er ist schwierig und redet kaum, denn in der Menschenwelt ist er eigentlich schon wieder out. Er wohnt im letzten Zelt hinten mit zwei anderen Elektrokästen namens DX7 und Prophet 5. Die machen dauernd irgendwelche komischen Sessions.

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