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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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sagte er in erbostem Flüsterton, »du hast mich reingelegt.«
    Harriet atmete selbst schwer. Sie schwieg. Auch ihre eigenen Fingerabdrücke waren auf dem Revolver, aber es gab keinen vernünftigen Grund, ihn darauf aufmerksam zu machen.
    »Wem hast du davon erzählt?«, fragte sie nach eisigem Schweigen.
    »Niemandem. Na ja – außer Greg und Anton. Und Jessica.«
    Jessica?, dachte Harriet. Jessica Dees?
    »Komm schon, Harriet.« Jetzt winselte er. »Sei nicht so gemein. Ich hab getan, was du gesagt hast.«
    »Ich hab nicht gesagt, dass du es Jessica Dees erzählen sollst.«
    Hely pustete genervt durch die Nase.
    »Du bist selbst schuld. Du hättest es niemandem erzählen dürfen. Jetzt sitzt du in der Patsche, und ich kann dir nicht helfen.«
    »Aber...« Hely rang nach Worten. »Das ist nicht fair!«, sagte er schließlich. »Ich hab niemandem erzählt, dass du es warst!«
    »Dass ich was war?«
    »Ich weiß nicht – was immer du getan hast.«
    »Wie kommst du darauf, dass ich was getan hab?«
    »Yeah, okay .«
    »Wer war mit dir beim Turm?«
    »Niemand. Ich meine ...«, sagte Hely unglücklich, und er erkannte seinen Fehler zu spät.
    »Niemand.«
    Schweigen.
    »Dann«, sagte Harriet (Jessica Dees! Hatte er sie nicht mehr alle?), »ist es dein Revolver. Du kannst nicht mal beweisen, dass ich dich darum gebeten hab.«
    »Kann ich wohl!«
    »Ach ja? Wie denn?«
    »Ich kann es«, sagte er ohne große Überzeugung. »Kann ich auch. Weil ...«
    Harriet wartete.
    »Weil...«
    »Du kannst überhaupt nichts beweisen«, sagte Harriet. »Und deine Fingerabdrücke sind überall auf dem Ding, auf dem du-weißt-schon-was. Also überleg dir jetzt lieber sofort, was du Jessica und Greg und Anton erzählst, wenn du nicht ins Gefängnis und auf den elektrischen Stuhl kommen möchtest.«
    Jetzt, befürchtete Harriet, hatte sie sogar Helys Leichtgläubigkeit überstrapaziert, aber nach dem betäubten Schweigen am anderen Ende zu urteilen, war dem nicht so.
    »Hör zu, Hely.« Sie bekam Mitleid. »Ich werde dich nicht verraten.«
    »Nicht?«, sagte er leise.
    »Nein! Es bleibt zwischen dir und mir. Niemand sonst weiß etwas, wenn du es nicht weitererzählt hast.«
    »Niemand?«
    »Pass auf, jetzt gehst du zu Greg und den anderen und sagst ihnen, dass du bloß Spaß gemacht hast.« Harriet winkte Schwester Coots zu, die den Kopf zur Tür hereinstreckte, um sich zu verabschieden; ihre Schicht war zu Ende. »Ich weiß nicht, was du ihnen erzählt hast, aber du sagst einfach, du hättest es dir nur ausgedacht.«
    »Und wenn jemand das Ding findet?«, fragte Hely verzweifelt. »Was dann?«
    »Als du beim Turm warst, hast du da jemanden gesehen?«
    »Nein.«
    »Hast du den Wagen gesehen?«
    »Nein«, sagte Hely nach kurzem Zögern verwirrt. »Was für’n Wagen?«
    Gut, dachte Harriet. Offenbar hatte er sich von der Straße fern gehalten und war hinten herum zum Turm gegangen.
    »Was für’n Wagen, Harriet? Wovon redest du?«
    »Schon gut. Hast du ihn an der tiefen Stelle in den Fluss geworfen?«
    »Ja. Von der Eisenbahnbrücke.«
    »Das ist gut.« Hely war ein Risiko eingegangen, als er da hinaufgeklettert
war, aber eine einsamere Stelle hätte er sich nicht aussuchen können. »Und niemand hat dich gesehen? Da bist du sicher?«
    »Nein. Aber sie können den Fluss mit Netzen absuchen.« Schweigen. »Du weißt schon«, sagte er dann. »Meine Fingerabdrücke.«
    Harriet korrigierte ihn nicht. »Pass auf.« Bei Hely brauchte man bloß immer wieder das Gleiche zu sagen, bis er kapiert hatte. »Wenn Jessica und die andern nicht quatschen, wird niemand je auf die Idee kommen, nach dem ... Gegenstand zu suchen.«
    Schweigen.
    »Also, was hast du ihnen genau erzählt?«
    »Die genaue Geschichte hab ich ihnen nicht erzählt.«
    Das stimmt, dachte Harriet. Die genaue Geschichte kannte Hely nicht.
    »Was dann?«
    »Im Grunde bloß ... Ich meine, es war ungefähr das, was heute Morgen in der Zeitung stand. Dass jemand auf Farish Ratliff geschossen hat. Viel stand da nicht, bloß dass der Hundefänger ihn gestern Abend gefunden hat, als er hinter einem wilden Hund her war, der von der Straße weg zu dem alten Baumwollschuppen gelaufen war. Aber das mit dem Hundefänger hab ich weggelassen. Ich hab’s mehr so ...«
    Harriet wartete.
    »... mehr so spionagemäßig erzählt.«
    »Na, dann mach’s noch ein bisschen mehr spionagemäßig«, schlug Harriet vor. »Erzähl ihnen...«
    »Ich weiß!« Jetzt war er wieder ganz aufgeregt. »Das ist

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